Heiliger Abend 2001
Evang:Lk2,1-14
„Ein Kind ist uns
geboren... Sein Name ist: Fürst des Friedens. Seine Herrschaft ist groß und
der Friede hat kein Ende!“
So klang die große
Weissagung des Jesaja siebenhundert Jahre vor Jesu Geburt. Als still, armselig,
von niemandem bemerkt der große Tag kam, da sich die Verheißung erfüllte,
sangen Engel: „Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.“
Ist das nicht alles Lüge? Sentimentales Friedensgerede, das der Realität nicht
standhält? Weihnachten – Fest des Friedens für Illusionisten, für Märchengläubige
oder für solche, die das Drumherum von Weihnachten recht gern mögen, aber die
Weihnachtsbotschaft selbst schon lange innerlich abgehakt haben?
Denn wie sieht es denn aus in der Welt? Krieg, Terror, Hass, Fanatismus, Angst
wohin man blickt. Betlehem, der Geburtsort, Palästina, das Geburtsland des
Friedensfürsten blutgetränkt, eine Endlosspirale von Gewalt und Gegengewalt,
um nur ein Beispiel für unzählige andere zu nennen. Krieg im Großen, Krieg im
Kleinen, zwischen Eheleuten, in Familien, zwischen Nachbarn, am Arbeitsplatz,
allenthalben, alles mögliche, aber kein wirklicher Frieden. Hat sich seit der
Weihnacht vor zweitausend Jahren überhaupt etwas in der Welt verändert? Sollte
man die Botschaft nicht endlich
einfach beiseite legen, weil sie ja doch nichts ausrichtet in dieser unserer
Welt, weil sie an den realen Gegebenheiten einfach abprallt?
Liebe Gemeinde!
Was soll man sagen auf solche Fragen, die ich
schon öfters von Menschen gehört habe?
Mir scheint, dass der entscheidende Punkt, den wir sehen müssen, der ist: Gott
ist nicht in unsere Welt gekommen, um die Welt zu verändern; nicht um die
Welt zu verändern, sondern um den Menschen,
um das Herz jedes einzelnen, um mich zu verändern – darum
wurde er einer von uns, einer
wie ich. Warum? Weil er ganz genau weiß: Nur wo einzelne, vielleicht sehr
wenige, beginnen, nur wo ich beginne, die Weihnachtsbotschaft in mich
einzulassen und aus ihr das Leben zu gestalten – nur da verändert sich die
Welt, nicht die ganze, aber – und das ist das Entscheidende – etwas
in der Welt.
Und auf einmal stellen wir fest, dass die Eingangs gestellten Fragen durch diese
kleine Richtigstellung unversehens eine ganz neue Wendung bekommen. Auf einmal
werden die abstrakten Fragen, die von mir weg auf andere weisen: Warum sind die
so?, zu Fragen an mich ganz persönlich: Habe ich
mich schon ausreichend verändern lassen durch das, was ich heute feiere?
Habe ich den, dessen Geburt wir heute
begehen, schon wirklich eingelassen in mein Leben als Friedensfürsten für
mich, der mich aus der Schuld, aus den Verstrickungen, aus dem Oberflächlichen,
aus dem Zerbrochenen, aus dem Friedlosen in
mir erlösen und befreien will. Oder feiere ich heute
ein rührseliges Fest, mit viel Dekoration: Krippe, Weihnachtsbaum, noch und nöcher
Geschenke; aber der, um den es eigentlich geht, Jesus Christus, geht darin
unter, erstickt; ist morgen in meinem Alltag schon wieder vergessen, weil er
auch in mir keine Herberge findet, in der ich ihm bei mir einen Platz bereitet hätte?
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Weihnacht damals, nämlich als Gott in unsere Welt kam, um uns Menschen seinen
Frieden zu bringen, hat stattgefunden. Kein Krieg, kein Unfriede auf
Erden kann dieses Friedensangebot Gottes
für uns alle ungeschehen machen. Doch wenn Weihnachten nicht auch in mir
geschieht, dann war die Weihnacht damals und dann ist ihre Feier heute für mich
persönlich vergeblich; ein hübsches Fest, das den Alltag durchbricht, aber
kaum mehr.
Der Mystiker und Dichter Angelus Silesius hat es so gedichtet: „Wär` Christus
tausendmal zu Betlehem geboren, doch nicht in dir, du bleibst noch ewiglich
verloren.“ Verloren an eine Welt, die immer härter und friedloser, immer
trostloser und kälter zu werden scheint, weil Gott darin immer weniger Platz
findet.
Dass Christus in mir geboren wird,
darauf zielt das Weihnachtsfest. Wo er meine Gedanken prägen darf, mein Herz
reinigen darf, mir Wegweisung geben darf, er meine Hoffnung sein, auf mein Gebet
zählen und mit meiner Liebe rechnen darf, - da geschieht
Weihnachten; da vollendet sich die Weihnacht damals in mir heute.
Im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach, das unser Chor ja am vorigen
Samstag in großartiger Weise aufgeführt hat, singt der Chor an einer Stelle
voller Verwunderung: „Dass dieses schwache Knäbelein, soll unser Trost und
Freude sein; dazu den Satan zwingen und letztlich Frieden bringen.“ Und in der
wunderschönen Alt-Arie gegen Schluss des dritten Teils heißt es: „Schließe,
mein Herz, dies selige Wunder fest in deinem Glauben ein... Ja, ja, mein Herz
soll es bewahren.“
Weihnachten ist wie das Anklopfen des Gottessohnes, des Friedensfürsten, an die
Tür der Herberge meines Herzens, meines Lebens, meiner Person. Es ist wie ein
Anklopfen, damit in mir Friede werde, Friede mit Gott, Friede mit meinen Nächsten,
damit ich so ein Mensch des Friedens werde; damit durch mich Friede in die Welt
kommt. Ich bin die Herberge, die er sucht. Werde ich ihm öffnen?
Pfarrer
Bodo Windolf
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