27.
Sonntag im Jahreskreis 7. Oktober 2001
zu Lk 17,5-10
Wir
feiern Erntedank, ein Fest der Dankbarkeit und der Einübung in die Haltung des
Dankes – und dann solch ein Evangelium; ein Evangelium, in dem Jesus
beispielhaft die selbstverständliche
Un–Dankbarkeit eines Herrn seinem
Knecht gegenüber anführt, weil der ja ohnehin nur tut, was er soll, was er dem
Herrn schuldig ist.
Zunächst einmal: Es versteht sich von selbst, dass Jesus dieses
durchschnittliche Verhalten von Herren gegenüber ihren Sklaven nicht gut heißt,
sondern nur beschreibt; freilich mit dem Ziel, von diesem Vergleich aus seine
Zuhörer einzuüben in eine Haltung, die nun wiederum alles andere als
selbstverständlich ist.
Doch
gehen wir der Reihe nach vor. Die Apostel treten mit einer Bitte an Jesus heran,
in der wir alle uns sicher wiederfinden können: „Herr, stärke unseren Glauben!“ Natürlich sind sie gläubig,
die Apostel; Juden, denen der Glaube ihrer Väter an Jahwe, den einen Gott,
selbstverständliche Lebensgrundlage ist; sie sind solche, die an Jesus als den
Verheißenen, den lang ersehnten Messias glauben. Und doch spüren sie sehr
genau, so wie viele Menschen heute: der wirkliche Glaube, das bedingungslose
Vertrauen auf Gott und auf Christus ist oft schwach, noch zu wenig eingewurzelt,
hat noch nicht die letzte Tiefe
erreicht, noch nicht jede Faser ihres Daseins erfasst und ergriffen. Und doch
– auch das spüren sie – wäre ihnen gerade solch ein Glaube notwendig, weil
alle Not wendend.
Sie spüren, anders gewendet: unser Glaube, mein Glaube ist noch so durchsetzt
von Zweifeln, von Angst, von Misstrauen gegen Gott: Ist ER der Welt, und vor allem ist er mir, wirklich nahe? Ist er
nicht doch der Ferne irgendwo da oben
ohne Kontakt zu uns, vielmehr wie ein gefühlloses Schicksal über uns waltend?
Denn wo ist er denn in vielen Situationen, besonders wenn das Böse überhand
nimmt. Interessiert er sich überhaupt für uns alle und für mich ganz persönlich?
Meint er es wirklich gut mit der Welt
und mit mir? Meint er es auch dann gut, wenn der Anschein dagegen spricht, weil
mich schlimme Schicksalsschläge getroffen haben?
Fragen über Fragen, die menschlich sind, und doch bitten die Apostel Jesus um
einen Glauben, der bedingungslos vertraut: Ja, du Gott bist mir unendlich nah!
Du interessierst dich selbst für die kleinsten Dinge meines Lebens, denn sogar
jedes meiner Haare ist von dir gezählt! Und
vor allem: du meinst es restlos gut mit mir, auch dann, wenn ich dich nicht
verstehe.
Es ist offensichtlich: gerade nach einem solchen
Glauben sehnen sich die Apostel. Und die Antwort Jesu? Sie lautet: Wenn ihr
nur eine Senfkorngröße dieses Glaubens und Vertrauens habt, dann vollbringt er
Wunder in euch, die dem Versetzen eines Baumes von einem Ort zu einem anderen
gleichen. Es geschieht das Wunder der Hoffnung
inmitten von Resignation und Verzweiflung. Es geschieht das Wunder der Freude
inmitten von Trauer. Es geschieht das Wunder des Vertrauens
inmitten von Hader und Anklage gegen Gott. Es geschieht das Wunder der Versöhnung
inmitten der Versuchung zu Hass und Vergeltung. Es geschieht das Wunder von Liebe inmitten der Versuchung zu Gleichgültigkeit und Feindschaft.
Und es geschieht das Wunder jener Haltung, von der Jesus im zweiten Teil des
heutigen Evangeliums spricht. Es ist das Wunder eines Menschen, der um sich
selbst und um das, was er tut, kein
Aufhebens mehr macht; ein Mensch, dessen Reden und Tun von allem Berechnenden frei geworden ist, das heißt von der Haltung, aus der
heraus man nur dann etwas tut oder
gern tut, wenn andere das auch sehen, wo andere es anerkennen, meinem Tun
Respekt zollen, wo es mir etwas
bringt: Erfolg, Ansehen, Lob, Bewunderung. Jesus spricht mit seinem Wort über
den, der sich selbst wie einen unnützen, nur seine Schuldigkeit tuenden Sklaven
ansieht, vom Wunder eines Menschen, der auch das Kleine und Unscheinbare, das,
was niemand sieht, einfach so tut; der sich natürlich freut über Lob, Dank und
Anerkennung, der aber nicht verbittert, wenn ihm Lob und Dank versagt bleiben;
der nicht verbittert, weil er weiß: ich tue es ja nur aus Schuldigkeit, und das
ist ein anderes Wort für: Ich tue es aus
Liebe. Und zwar nach dem Wort des heiligen Paulus, der schreibt: „Bleibt
niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer.“ Jene
Liebe, die, wie gesagt, nicht rechnet und berechnet, sondern einfach so, umsonst,
die Liebe tut, weil ich sie jedem schulde.
„Stärke unseren Glauben!“ So haben die Apostel Jesus gebeten. Diesem Gebet
wollen auch wir uns anschließen: „Stärke, Herr, auch meinen Glauben. Hilf
mir, auf deine Nähe und Güte unerschütterlich zu vertrauen. Erfülle mich mit
jener einfachen, demütigen, nicht berechnenden Liebe, die ich dir und meinem Nächsten
schulde. AMEN.“
Pfarrer
Bodo Windolf
|
© copyright 2001 WebMaster: Herbert Bauernfeind
bauernfe@t-online.de
|