13.
Sonntag in Jahreskreis 1.
Juli 2001 zu Gal 5,1.13-18 Gottesdienst mit Krankensalbung – Über den Sinn von Krankheit Im
heutigen Pfarr-Gottesdienst wird die Möglichkeit bestehen, das Sakrament der
Krankensalbung zu empfangen. Es ist mir nicht ganz leicht gefallen, von den
heutigen Lesungstexten her einen Bogen zu schlagen zum Thema Krankheit
beziehungsweise Krankensalbung. Aber ich will es einmal versuchen und dabei
ausgehen von dem Wort: „Zur Freiheit seid ihr berufen...“ Um
welche Art von Freiheit könnte es da gehen, wo wir von Krankheit betroffen sind? Krankheit
ist ja zunächst einmal etwas, das uns entschieden unfrei macht. Unsere Sprache
drückt es so aus: Krankheit fesselt ans
Bett, ans Haus; sie macht uns abhängig von
der Sorge und Pflege anderer. Sie wirft Termine, Pläne, Wünsche, Vorhaben über
den Haufen, die wir aufschieben oder sogar ganz aufgeben müssen. Sie bewirkt,
dass wir nicht so können, wie wir wollen, sondern dass wir müssen, wie sie,
die Krankheit will; wir müssen uns dem beugen, was sie uns an Bettruhe,
Krankenhausaufenthalt, Einschränkung im Essen und in der Bewegungsfreiheit aufnötigt.
Krankheit erscheint daher manchen nicht nur als Beeinträchtigung des Lebens,
sondern geradezu als Nicht-Leben. Prägnant
drückt dies Johann Peter Hebel in einer Kurzgeschichte aus: “Ein Vorgesetzter
fragt einen Rekruten: „Wie alt ist Er?“ Seine Antwort: „Einundzwanzig
Jahre, Herr Leutnant; ohne Krankheit wäre ich jetzt dreiundzwanzig Jahre
alt“.“ Liebe
Gemeinde! Krankheit
– hier wird sie gleichgesetzt mit nicht
gelebtem Leben; gesehen als ein ausschließliches Minuszeichen in der Lebensgeschichte eines Menschen. Ist sie das
wirklich, oder müssen wir nicht versuchen, ein wenig tiefer zu schauen? Wenn
Paulus davon spricht, dass wir zur Freiheit
berufen sind, dann meint er natürlich nicht einfach nur deren simpelste
Form, nämlich die Freiheit von äußeren Zwängen aller Art. Er meint vor allem
jene innere Freiheit, die wir selbst
mitten in äußerem Zwang und äußerer Unfreiheit noch zu bewahren vermögen.
Sie besteht in der inneren Einstellung,
mit der wir dem begegnen, was uns von außen auferlegt wird. Der große Wiener
Psychologe und Begründer der Logotherapie Viktor Frankel – der als Jude
mehrere Jahre im Konzentrationslager verbracht hat und in einem seiner Bücher
beschreibt, wie er bei allem äußeren Terror und Zwang sich die innere Freiheit
bewahrt hat – (Viktor Frankel) spricht hier von Einstellungswerten,
die wir in jeder Lage unseres Lebens, selbst der unfreisten und bedrängendsten,
zu verwirklichen vermögen. Wie
gelangen wir zu solchen Einstellungswerten, also zur rechten Einstellung einer Krankheit gegenüber, sei sie nun
leichterer oder auch schwerer Art? Vielleicht könnte ein guter Weg sein, gleichsam einmal in ein „Gespräch“ mit der Krankheit einzutreten. Es könnte sich zum Beispiel so abspielen: „Du,
meine Krankheit, ich ärgere mich wahnsinnig über dich, ich bin zornig,
frustriert, ich habe Angst; all meine Termine, Pläne, Wünsche, Vorhaben,
Gewohnheiten bringst du durcheinander!“ Vielleicht
bekomme ich zur Antwort eine Frage: „Ist es richtig, dass du dich über mich,
deine Krankheit erzürnst? Müsstest
du dich nicht eher über dich selbst erzürnen, weil bei dir selbst etwas im
Argen liegt?“ „Ja, aber was soll denn bei mir im Argen liegen?“ Und
wenn ich nun innehalte und zu hören versuche, dann werde ich vielleicht dieser
bestimmten Krankheit, die mich getroffen hat, genau die Botschaft
ablauschen, die in ihr für mich ganz persönlich enthalten ist. Vielleicht
lautet sie : „Du
musst dein Leben verlangsamen. Wenn du
dir selbst keine Auszeit gewährst, dann erzwinge ich sie eben von dir; ich
erzwinge von dir, einmal eine Pause einzulegen, einmal herausgenommen zu werden
aus dem ununterbrochenen Getriebe deines Alltags, deiner Jagd von Termin zu
Termin, nach Geld, Karriere und so weiter.“ Die
Botschaft kann auch lauten: „Denk mal wieder nach über die wirklich wichtigen
Fragen deines Lebens; über die, die untergehen in der Hetzjagd deines
Lebens; über die nach dem Sinn von all dem, was du tust, nach dem Ziel, nach
Gott, nach einem Leben mit Gott in Gebet und Ausrichtung auf ihn hin.“ Oder
sie heißt: „An dieser Krankheit sollst du deine Grenzen erfahren; erfahren, wie verwundbar du bist und dein Leben;
dass es morgen schon von dir gefordert werden könnte.“ Oder:
„Du sollst lernen, dir helfen zu lassen –
wie schwer fällt gerade das vielen Menschen.“ Das heißt: „Du sollst die Demut
lernen, die darin besteht, auf Hilfe anderer angewiesen und von ihnen abhängig
zu sein“. Vielleicht
lautet die Botschaft auch: „Du sollst neues Vertrauen zu gewinnen suchen; da,
wo du nicht mehr auf dich selbst und vielleicht auch kaum mehr auf die Kunst der
Ärzte oder anderer vertrauen kannst, neues Vertrauen auf Den einzuüben, in
dessen Hand dein Leben in Gesundheit und Krankheit
ruht. Liebe
Gemeinde! Viele
Botschaften können Krankheiten enthalten - ich habe jetzt nur einige Beispiele
genannt. Ich glaube sogar, dass jede Krankheit
eine Botschaft enthält an den Betroffenen und manchmal auch an seine Umgebung;
und dass, so wichtig die Gesundheit ist, die Entschlüsselung dieser Botschaft bisweilen noch wichtiger sein mag.
Wer so mit seiner Krankheit ins Gespräch kommt, könnte unversehens auch mit
Gott ins Gespräch kommen und zu
vernehmen suchen, was ER mir sagen
will, vielleicht im Medium, im Sprachgewand dieser Krankheit, dieses Gebrechens,
dieser Beeinträchtigung. Wer
dies vermag, wer eine Krankheit auf
diese Weise nicht nur als ein Minuszeichen, sondern auch als einen hilfreichen
Hinweis für sein Leben zu deuten vermag, der ist auf dem Weg zu jener inneren
Freiheit, von der Paulus gesprochen hat. Auch dazu will das Sakrament der
Krankensalbung eine Hilfe sein. |