Predigt vom 24. Juni 2001 

St. Severin Garching

[Zurück zu Predigten/Sakramente] 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Geburt Johannes des Täufers
– Predigt zur Geplanten Stadtmission in Garching -

Predigttext

12. Sonntag im Jahreskreis   24. Juni 2001

Johannes der Täufer – wer war dieser letzte der großen Profeten Israels?

Besser als mit vielen Worten gelingt es oft in einem Bild, eine solche Frage zu beantworten. Und so hat wie wohl kein anderer Matthias Grünewald im Isenheimer Altar in einer einzigen Geste das Wesen dieses Mannes eingefangen. Johannes ist der Mann mit dem geradezu endlos lang ausgestreckten Zeigefinger. Mit ihm weist er auf das Lamm Gottes, auf den gekreuzigten Christus. Es ist die Geste des „Von-sich-selbst-weg-auf-ihn-Zeigens“, die Geste des Wegbereiters, die Geste des Rufers in der Wüste, der die Ankunft des kommenden Christus-Messias in den Herzen der Menschen vorbereitet.

Hat Johannes der Täufer auch uns Heutigen noch etwas zu sagen? Ja, er hat; denn er ist eine geradezu archetypische, ein urbildliche  Gestalt des Evangeliums und damit unseres christlichen Lebens. Dass auch wir Wegbereiter für Jesus Christus in heutiger Zeit sind, Rufer in der Wüste einer mehr und mehr den Glauben verlierenden Zeit, Zeugen des Evangeliums, kurz: ein zweiter Johannes der Täufer heute - das ist die Berufung eines jeden mündigen Christen, wie das II. Vaticanum nicht müde wird, zu betonen und allen Gläubigen, Priestern und Laien ans Herz zu legen.

Wie könnte das konkret aussehen? Der Pfarrgemeinderat befindet sich zur Zeit im Gespräch mit einer internationalen Schule für Evangelisation in Altötting, die getragen ist von der geistlichen Gemeinschaft Emanuel. In ihr verbringen junge Frauen und Männer zwischen zwanzig und dreißig Jahren aus verschiedensten Ländern ein Jahr, um christlichen Glauben und christliche Spiritualität gemeinsam zu erlernen, einzuüben und zu leben. Zu diesem Jahr gehören auch drei bis vier zehntägige Einsätze in verschiedenen Pfarreien, in denen sie versuchen, den christlichen Glauben den Menschen vor Ort nahezubringen.

Diese Art von Gemeindemission ist anders als die herkömmliche. Wir kennen sie ja so, dass zwei bis drei meistens Priester Veranstaltungen anbieten, und man hofft, dass möglichst viele hinkommen. Bei der geplanten Art gilt als ergänzendes Prinzip, dass

erstens: die Mission von vielen Laien und ein paar Priestern gemeinsam getragen wird; dass man zudem

zweitens zu den Menschen hin geht, sie also dort aufsucht, wo sie wohnen, leben, sich aufhalten, arbeiten, lernen; etwa durch Hausbesuche, Besuch von Schulen, Kindergärten und anderen Einrichtungen; nicht um sich aufzudrängen, sondern um die, die man trifft, persönlich zu Veranstaltungen einzuladen und, wenn gewünscht, auch über den Glauben mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Drittes Prinzip ist, mit der Pfarrgemeinde zusammen die Mission vorzubereiten, zu gestalten und durchzuführen; und dazu braucht es Ideengeber, Helfer, Organisationstalente, einfach Mittragende, unterstützt von denen, die von außen kommen, nicht nur die Schüler, sondern viele Jünger, Ältere und Ehepaare aus der Gemeinschaft.

Ich selbst habe eine solche Gemeindemission in Gauting, meiner ersten Kaplansstelle erlebt und mitbekommen,  welche Freude, auch welche neue Freude am Glauben diese jungen Leute in die Gemeinde getragen haben.

Dabei ist klar, dass der Pfarrgemeinderat und die Gemeinde eine  solche Mission nur werden durchführen können, wenn sie erwünscht und mit getragen ist von so manchen heutigen „Johannes den Täufern“ aus unserer Gemeinde, von solchen, die mit ihren Gaben, ihrer Hilfsbereitschaft, ihrem Interesse, ihren kleineren und größeren Diensten mithelfen, dem Glauben an Gott und Jesus Christus den Weg zu bereiten und ihm neue Nahrung zu geben.

Warum sollten wir so etwas eigentlich tun? Was haben wir als Christen im Gepäck, um es anderen Menschen anzubieten?

Unter dem Vielen möchte ich nun zwei der großen christlichen Schätze nennen, wie sie uns die heutigen Lesungstexte deutlich machen. „Sie freuten sich mit ihnen am Erbarmen, das Gott ihnen erwiesen hatte.“

Spaß und Vergnügen - das haben viele Menschen unserer Zeit zur Genüge. Aber Freude, tiefe Freude am Dasein - dass ich bin, Freude, die von weiter herkommt als von dieser Welt, nämlich die allein Gott in uns einzusenken vermag - diese Freude, scheint mir, ist rar geworden. Unser erster Schatz im Gepäck muß daher Freude sein: Freude an Gott, Freude am Glauben, Freude am Leben. Woher kommt diese Freude? Sie kommt aus der Gewissheit: „Der Herr hat mich im Mutterschoß berufen; schon damals hat er meinen Namen genannt.“ Wenn das wahr ist, dann gilt das auch für mich. Dann gilt: Ich bin mehr als nur ein später Abkömmling von Primaten; ich bin auch mehr als nur ein zufälliger Ausstoß der Evolution; nein, nicht ein blind ins Dasein Geworfener bin ich, sondern ein ins Dasein Gerufener, bei meinem unvergleichlich-einmaligen Namen genannt, begabt mit einer Berufung, einer Aufgabe, und zwar vom Rufer selbst, von Gott, die nur ich zu erfüllen vermag und sonst niemand. Wie viele Menschen erleben sich heutzutage besonders im Arbeitsprozess als austauschbar und beliebig ersetzbar. „Ob es mich gibt oder nicht gibt, ist doch gleichgültig.“ Wie viele erleben, dass ihr Wert an ihrem Nutzwert taxiert wird. Ich bin vor allem das wert, was ich am Arbeitsplatz leiste, was ich erwirtschafte. Aber liebe Gemeinde!: Würde der Mensch nur einen Wert in diesem Sinn darstellen, dann gäbe es wertvolleres und weniger wertvolles, am Ende der  Skala sogar unwertes menschliches Leben, nichts mehr wert, weil zu nichts mehr nütze, vielleicht nur noch zur Last fallend. Zuallerletzt wird der Mensch dann auch noch ver-wert-bar zu Zwecken, die ganz außerhalb dieses bestimmten Menschen liegen, wie es in der aktuellen bioethischen Diskussion von manchem vertreten wird. All dies hat schon der große Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, als der Würde jedes Menschen widersprechend erkannt. Und so enthält unser christliches Gepäck für die Menschen von heute eine Zusage, nämlich die Zusage: Du hast nicht nur einen Wert, einen mehr oder weniger großen, je nach deinem persönlichen Beitrag zum Bruttosozialprodukt, sondern dir ist vom dich rufenden Gott eine unverlierbare Würde geschenkt, nicht ab irgendwann dir von Menschen zugeteilt, sondern eine Würde schon von frühester Zeit im Mutterschoß an, eine Würde die dich in seinen Augen unendlich kostbar macht, ganz gleich, wie Menschen dich taxieren und bewerten.

Liebe Gemeinde!

Vielen von uns mag diese Botschaft selbstverständlich klingen. Aber für viele ist sie es nicht mehr. Es wäre schön, wenn die Botschaft von der Freude, die Gott schenkt, die zu tun hat mit der Botschaft vom unbedingten Sinn unseres Lebens und auch Erleidens, und die Botschaft von der unvergleichlichen Würde jedes Menschen unabhängig von unseren Leistungen, ob arbeitend oder arbeitslos, ob noch ganz jung oder schon sehr alt, ob gesund oder behindert – ich würde mich freuen, wenn diese Botschaft über diese Kirchenmauern hinaus durch die geplante Mission und auch durch uns zu vielen Menschen hier in Garching getragen würde.  

Pfarrer Bodo Windolf

Seitenanfang
© copyright    2001    WebMaster: Herbert Bauernfeind   bauernfe@t-online.de