Predigt vom 13. Mai (5. Ostersonntag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Die „neue Erde“ durch „therapeutisches Klonen“?
Predigttext

5. Ostersonntag 13. Mai 2001

zu Offb 21,1-5a

Die „neue Erde“ durch „therapeutisches Klonen“?


“Ich, Johannes, sah einen neuen Himmel und eine neue Erde... Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen... Der Tod wird nicht mehr sein. Keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Was früher war, ist vergangen... Seht, ich mache alles neu.“

Liebe Schwestern und Brüder!

Welch großartige Vision im letzten Buch unserer Bibel. Ein Text, der Geschichte gemacht, europäische Geschichte gestaltet hat; so jedenfalls sieht es Paul Badde, Redakteur für das Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er bezeichnet ihn als „einen Schlüssel zum Geheimnis Europas“ (S.17). In seinem Buch „Die himmlische Stadt“ beschreibt er, wie diese Vision dem abendländischen Traum von der gerechten und leidfreien Gesellschaft zugrunde liegt; wie sie Europa geformt, zu höchsten kulturellen Leistungen angespornt, aber auch auf schreckliche Irrwege geführt hat. Die bislang schrecklichsten haben wir sicher im letzten Jahrhundert erlebt.

Man hatte die Geduld verloren. Man wollte nicht mehr auf die neue Erde ohne Trauer und Klage irgendwann in einem Jenseits warten. Man entschloss sich, das Unternehmen „neue Erde“ nicht irgendeinem zweifelhaften Gott im Himmel zu überlassen, sondern es in die eigene menschliche Regie zu übernehmen. Politische, gesellschaftliche Veränderung war angesagt, galt als Mittel, die neue Erde, wenn nötig, mit Gewalt herbeizuzwingen.

Ob es die rote Revolution im Namen der (Arbeiter-)Klasse, ob es die braune Revolution im Namen der (arischen) Rasse war – zuerst 1945, dann 1989 wurden wir Zeugen, wie beide Träume von einer mit Gewalt erzwungenen neuen Erde, von einem Paradies auf Erden ohne Gott, in einem Meer von Blut und Tränen ertranken.

Der Humanismus ohne Gott hatte sich auf grauenhafte Weise gegen den Menschen selbst gekehrt, nämlich gegen all jene, die dem Projekt „neue Erde“ im Weg standen. (Der Mensch, der die Re-ligion, die Rück-Bindung an Gott verwarf, wurde hier auf beispiellose Weise des Menschen Wolf.)

Nun, der Traum von der „neuen Erde“, nicht von Gott geschenkt, sondern von Menschen gemacht, ist noch lange nicht ausgeträumt. Kaum hat sich der Versuch, es auf politisch-gesellschaftsveränderndem Weg zu bewerkstelligen, als Sackgasse erwiesen, tut sich scheinbar ein neuer Weg auf: der Weg über die Biotechnologie. Es wäre töricht, sie pauschal zu verwerfen, aber zugleich mit Verheißungsvollem eröffnet sie grauenhafte Perspektiven. So hat man das Klonen entdeckt – und den Embryo als möglichen Rohstofflieferanten für gesunde Organe, Gehirnmasse und Gewebearten. Nicht nur ein riesiger Markt von zig-Milliarden von Dollar tut sich auf, sondern auch die Utopie von einem Leben womöglich ohne tödliche Krankheiten, Leid und Schmerz, die Utopie von der grenzenlosen Therapierbarkeit des Menschen.

Wie macht man eine solche Technologie, die – auch den Verfechtern muss es bewusst sein – menschliches Leben nutzbringend verwertet, gesellschaftsfähig? Zunächst macht man es über die Sprache. Man gibt dem Kind einen Namen, der den wahren Sachverhalt nicht verdeutlicht, sondern verschleiert. Man nennt es „therapeutisches Klonen“, denn Therapie ist ja immer gut. Und verschleiert so, dass hier nicht therapiert, sondern zuallererst einmal getötet wird; dass hier menschliches Leben getötet wird – und nicht, wie die (Sprach-)Verschleierer auch sagen: ein Zellhaufen – und zwar auf Grund der immer noch sehr vagen Hoffnung, irgendwann in zwanzig bis dreißig Jahren zu einer therapeutischen Anwendung zu gelangen.

Neben einem irreführenden Sprachgebrauch ist ein weiterer Teil der Strategie die Diffamierung des Gegners. So tut es unser Bundeskanzler, wenn er sich in diesem Zusammenhang gegen eine „Politik der ideologischen Scheuklappen und grundsätzlichen Verbote“ wendet und „Fortschrittsfeindlichkeit und konservativen Fundamentalismus“ – so seine Worte in einem „Stern“ Interview - bei denen vermutet, die hier grundsätzliche Bedenken anmelden. Ethik - das heißt das Eintreten für die Würde der Menschen im frühesten Stadium, wie es unser Grundgesetz verlangt - mit ideologischen Scheuklappen zu verwechseln und damit Polemik zu betreiben, ist unverantwortliches Spiel mit eben der Würde auch ungeborenen menschlichen Lebens.

Zur Strategie gehört auch der vom Kanzler neu kreierte „Nationale Ethikrat“. Es riecht förmlich danach, dass er, am Parlament vorbei, mit diesem allein von ihm selbst ausgesuchten Rat ein im Bundestag für diese Fragen schon bestehendes Gremium aushebeln möchte, nämlich die Enquete-Kommission für „Recht und Ethik der modernen Medizin“, die das Klonen von Menschen bislang (in ihrer Mehrheit) grundsätzlich ablehnt. Statt dieser Kommission ein Rat, der so ausgesucht ist, dass er wahrscheinlich in seinem Sinne entscheidet – welch feine Sache. (Unter anderen hat der als Vorsitzender vorgesehene ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde ohne Angabe von Gründen – vermutlich wegen tendenziöser Besetzung – abgewinkt.) Soviel zur Strategie.

Nun zur Sache selbst:

Aus all dem, was zum sogenannten „therapeutischen Klonen“ zu sagen wäre, nur ein bislang wenig bedachter Punkt, auf den Kardinal Karl Lehmann aufmerksam macht. Welches Frauenbild steckt eigentlich dahinter? Ist es nicht das Bild von Frauen als ebenfalls brauchbaren Rohstofflieferantinnen, nämlich für Eizellen?

Beispiel Parkinson: Sollte die Krankheit tatsächlich einmal auf diesem Wege geheilt werden können, rechnet man mit einem Bedarf von sieben bis acht Embryonen pro Patient. Bei 125.000 Patienten allein in Deutschland würden eine Million Eizellen benötigt. Wissenschaftler sagen schon jetzt voraus, dass vor allem Frauen in den armen Ländern veranlasst würden, gegen Geld Eizellen zu liefern; und man weiß, dass das alles andere als ein harmloser Eingriff ist.

Bei diesem Einwand ist noch gar nicht erwähnt, welche Barbarisierung von Forschung und Gesundheitswesen es darstellt, wenn Würde und Lebensrecht eindeutig menschlichen Lebens, (wie es unser Grundgesetz ausdrücklich auch für das ungeborene garantiert) wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder auch therapeutischen Interessen untergeordnet und geopfert wird. Was mich persönlich mit am meisten erschüttert, ist, dass wohl noch nie in der Menschheitsgeschichte das sittliche Gewissen breiter Kreise unserer Gesellschaft sich so sehr dem Diktat von wirtschaftlichem Kalkül und Forscherehrgeiz unterworfen hat wie heute. „Gut ist, was nutzt und Geld bringt,“ auf diesen Satz lässt sich diese Art von Moral auf den kürzesten Nenner bringen. Und das, obwohl das angestrebte Ziel der Therapie vieler Krankheiten vielleicht etwas schwieriger, aber ebenso erfolgversprechend mit Hilfe von Stammzellen möglich wäre, die man aus dem geborenen menschlichen Körper zu gewinnen vermag, zum Beispiel aus dem Nabelschnurblut eines neugeborenen Kindes, ohne dafür Embryonen töten zu müssen. Deutsche Politiker hätten Möglichkeiten, sich in Hinblick auf dieselben therapeutischen Chancen für einen ethisch einwandfreien Weg zu entscheiden. Leider stehen die Aktien dafür im Moment nicht gut.

Und so frage ich zum Schluss: Mag die Hoffnung auf Therapierbarkeit bislang unheilbar Kranker noch so groß sein - kann Segen darauf liegen, wenn diese Art von „neuer Erde“, von der ich ausgegangen bin, auf einer solchen Blutspur zu uns kommt?

Natürlich kann man auch fragen: Was soll man darüber reden oder predigen? Es ändert ja doch nichts! Die Entwicklung, ob bei uns oder in anderen Ländern, lässt sich ja doch nicht aufhalten! Ich antworte: Was das Sprechen darüber, sei es im kleinen oder im großen Kreis, bewirkt, weiß allein Gott. Aber wer schweigt, so fürchte ich , steht in Gefahr, zum Mittäter zu werden.

Und dennoch: Was immer der Mensch tun mag: Die am Anfang gehörte Verheißung bleibt bestehen:

„Seht, ich, G O T T, mache alles neu.“

Pfarrer Bodo Windolf

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