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Ostersonntag 29. April 2001 zu
Joh 21,1-19 „Liebst
du mich“? „Liebst
du mich?“ Wer von uns kennt diese Frage nicht? Laut ausgesprochen oder auch
leise, schweigend gesprochen ganz tief im Herzen: „Liebst du mich? Bin ich überhaupt
geliebt? Bin ich von dir geliebt? Bin ich geliebt von dir, den ich liebe?“ Wir
alle kennen die Sehnsucht, die in
dieser Frage liegt; die Sehnsucht nach Bejaht-Sein, nach Angenommen-Sein, so wie
man ist, kurz: die Sehnsucht eben nach Geliebt-Sein, und zwar nicht von
irgendwem, sondern gerade von dem, den ich
liebe. Und so mancher von uns kennt wohl auch die abgrundtiefe Trauer, die in dieser Frage liegen kann, dann nämlich, wenn man auf sie keine Antwort bekommt oder nur eine ausweichende oder gar ablehnende und meine Liebe zurückweisende. Es gibt wohl kaum etwas Schmerzlicheres für uns Menschen, als wenn unsere Liebe nicht auf Gegenliebe stößt, sondern auf Gleichgültigkeit, auf Desinteresse. Und
dabei genügt es zumindest sensiblen Menschen in der Regel nicht, nur rein
theoretisch von der Liebe des geliebten Menschen überzeugt zu sein. Sondern wir
wünschen uns, es immer wieder auch wirklich zu hören und zu spüren. Wie viele
Beziehungen zwischen Ehepaaren, von Eltern zu ihren Kindern und von Kindern zu
ihren Eltern, wie viele Beziehungen überhaupt mögen daran kranken, dass man
die Sprache der Liebe und Freundschaft in Worten und kleinen Gesten nie richtig
gelernt oder in der Routine des Alltags wieder verlernt hat? Auf
eine köstlich humorvolle Weise zeigt das Musical Anatevka dieses Grundbedürfnis
von uns Menschen. Tevje, der Milchmann, fragt auf einmal seine Frau Golda nach
ihrer Liebe und es entspinnt sich folgendes Duett: „Golda,
liebst du mich? Was fühlst du eigentlich für mich? Ist es Liebe?“ Ihre
Antwort: „Ist es ... was? Mit fünf heiratsfähigen Töchtern fragt ein Mann
doch nicht so dumm. Du bist krank! Geh ins Haus! Leg dich hin! Ruh dich aus!
Mach schon, was ich dir sage!“ Aber
er unbeirrt: „“Golda, hör zu, was ich dich frage! Ist es Liebe?“ „Lass
das sein!“ „O
nein! Sag: Ist es Liebe? „Seit
fünfundzwanzig Jahren, da wasche ich, koche ich, putze ich, gab dir fünf Töchter,
melk die Kuh. Nach fünfundzwanzig Jahren, lass mich damit in Ruh!“ „Sag,
Golda, liebst du mich denn?“ „Ich
bin dein Weib!“ „Ich
weiß! Sag: Ist es Liebe?“ Und
endlich kommt es doch: „Seit fünfundzwanzig Jahren leb ich mit dir, lach mit
dir, wein mit dir, seit fünfundzwanzig Jahren ist dein Bett mein, das muss ja
Liebe sein.“ „Golda,
du liebst mich! Und ich liebe dich“, so sprudelt es aus Tevje heraus, so hören
sie es endlich voneinander.
Vor
diesem Hintergrund, vor dem Hintergrund dieses menschlichen Urbedürfnisses nach
Lieben und Geliebt-Sein das heutige Evangelium. Wir hören dieselbe Frage:
„Liebst du mich?“, aus dem Mund des Sohnes Gottes; wir hören sie aus dem
Mund Gottes selbst. Keiner der Evangelisten hat den Gott und Vater Jesu Christi,
keiner hat die Person Jesu selbst, keiner hat seine Botschaft, sein Handeln und
sein Leiden für uns so sehr auf Liebe hin ausgelegt wie der Liebesjünger
Johannes. All seine Aussagen darüber gipfeln schließlich in dem kurzen Satz
aus einem seiner Briefe: “Gott ist die
Liebe.“ Gar nichts anderes. Dieses Wort fasst sein Wesen, seine Beziehung
zu uns Menschen und all seinen Selbsteinsatz für uns in Jesus Christus
zusammen. Und
so kann Johannes gar nicht anders, als sein Evangelium ausklingen zu lassen mit
jener am Ende einzig wichtigen Frage, die noch offen ist: Wird Gottes Liebe.
Wird Christi Liebe auf Gegenliebe bei
uns Menschen, auf Gegenliebe bei mir
stoßen? Was Jesus den Petrus fragt, dem er aufgrund seiner Liebe das Hirtenamt
für die ganze Kirche anvertraut, das fragt er in ihm jeden aus seiner Herde,
jeden von uns: „Liebst du mich? Stößt meine Liebe zu dir auf deine
Gegenliebe zu mir?“ Die
Missionaries of Charity – so nennen sich die Schwestern Mutter Theresas –
haben in ihren Kapellen neben dem Kruzifix das Kreuzeswort Jesu auf die Wand
geschrieben: „I thirst!“ „Mich dürstet! Mich dürstet nicht nach Wasser,
sondern nach der Liebe der Menschen, nach deiner Liebe, da ich für dich am
Kreuz gestorben und aus dem Grab auferstanden bin“, so deuten sie dieses Wort. Gott,
Jesus Christus, dürstet nach unserer Liebe, so wie jede Liebe nach Gegenliebe dürstet.
Mit der Frage nach dieser Gegenliebe klingt das Johannes Evangelium aus. Werden
wir mit Petrus antworten können: “Herr, du weißt alles! Du weißt auch, dass
ich dich liebe“ oder doch zu lieben versuche? Pfarrer Bodo Windolf |