Jesaja 6, 1-2a. 3-8 Lukas 5, 1-11
Zwei
der ganz großen biblischen Gestalten werden uns durch die Lesungstexte des
heutigen Sonntags vor Augen gestellt, und zwar werden wir Zeugen gerade jenes
Augenblicks, in dem sie ihre Sendung von Gott her empfangen. In ihrer
Grundstruktur ähneln sich diese Berufungsszenen so sehr, dass hier unbedingt
etwas Allgemeingültiges deutlich wird. Ich möchte versuchen und es einmal in
aller Kürze herauszuarbeiten.
Am Anfang seht beide Male das Überwältigtsein von der Größe, von dem Glanz,
von der unbeschreiblichen Heiligkeit Gottes. Jesaja sieht sie vergleichsweise
unverhüllt in einer Vision der himmlischen Herrlichkeit Jahwes; für Petrus
bricht sie hervor aus der soeben gehörten machtvollen Rede Jesu und der
Machttat des wunderbaren Fischfangs. Die unmittelbare Reaktion ist bei beiden
dieselbe: "Weh mir ich bin verloren. Ich bin ein Mann mit unreinen
Lippen!" "Herr, geh weg von mir! Ich bin ein Sünder!"
Nein, es geht nicht um das Erkennen irgendeiner konkreten Einzelsünde. Es ist
etwas ganz anderes. Es ist, als würden wie in einem Spiegel, und zwar allein in
diesem Spiegel, im Spiegel der Heiligkeit Gottes, sämtliche Masken, die mich
vor mir selbst verbergen, als würden all diese Masken wie faule Eierschalen
abfallen; und in restloser Nacktheit stehen Jesaja und Petrus, stehe ich vor mir
selbst, und erkenne in diesem Spiegel, wer und was und wie ich in Wirklichkeit
bin. Und dieser unverstellte Blick auf mich selbst - ja, was zeigt er? Er zeigt
neben so manchem Guten viel Erbärmliches, zeigt, wie durchsetzt von Unreinem,
Unlauterem, Egoistischem, von Eitelkeit, von Berechnung usw. so viele meiner
Gedanken, mein Sprechen und mein Tun ist. Dieser unverstellte Blick zeigt, wer
ich bin: ein Sünder; und er zeigt, welcher Abstand mich von Gott, dem
schlechthin Heiligen, trennt.
Warum ist dieses Moment, diese beschämende Selbsterkenntnis für einen von Gott
Berufenen so wichtig, so grundlegend?
Würden Jesaja oder Petrus sich auch nur einen Augenblick für reif, für
geeignet, für talentiert, vor allem für heilig genug halten und damit als
einfachhin tauglich für die ihnen übertragene Aufgabe, so wäre es ein
sicheres Zeichen für ihre Untauglichkeit. Wer immer von Gott gesendet wird - er
kann seine Sendung nur erfüllen, wenn er sie in Demut tut, in der Demut dessen
annimmt, der weiß: mir ist unendlich Größeres anvertraut, als was ich aus
eigenem zu leisten vermag. Wo diese Demut nicht vorhanden ist, das Wissen um die
eigene Schwäche und um das eigene Ungenügen, da drohen Stolz, Hochmut, Eigendünkel,
Selbstherrlichkeit, Einbildung die Sendung zu verdunkeln und unwirksam zu
machen.
Aber das Schöne ist nun, dass Gott uns wegen unserer Sündigkeit nicht als
unbrauchbar einfach zur Seite stellt. Nein, als die, die sie sind, beruft Er
Jesaja und Petrus; als die, die wir sind, beruft Er uns. Und Er tut es fragend:
"Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?" Was werden wir
antworten? Können auch wir mit Jesaja sagen: "Hier bin ich, sende
mich!" Doch was könnte das heißen? Was wäre für uns zu tun?
Liebe Gemeinde!
Es ist wohl typisch, dass wir in bezug auf eine Aufgabe primär an etwas zu
Tuendes denken. Doch wenn es stimmt, dass nach biblichem Verständnis jeder von
Gott Gesendete - und irgend eine Sendung innerhalb des Leibes Christi hat jeder
Getaufte - wenn es stimmt, dass wir als Sünder und mit mancherlei Schwächen
Behaftete nie einfach aus eigener Kraft unsere Aufgabe zu erfüllen vermögen,
dann kann der erste Schritt nicht sein, uns gleich ins Tun und Machen zu stürzen,
sondern dann muss unser erster Schritt dorthin gehen, wo wir die Kraft für die
rechte Erfüllung unserer Aufgaben empfangen,
und das ist Gott. Christliche Sendung, die nicht aus dem Gebet
gespeist wird, droht fruchtlos und steril zu bleiben. Wir westlichen
Menschen, die wir immer irgendwie in Aktion sind, auch wir Christen haben
weitgehend das Beten verlernt. Viele haben verlernt, jene Quelle anzuzapfen, die
unser Tun und Arbeiten erst wirklich fruchtbar macht, weil es dann aus Gott
kommt und immer wieder neu zu ihm zurückkehrt.
Vielleicht ist ihnen schon aufgefallen, dass ich neben der täglichen
Eucharistiefeier in kleinen Schritten auch andere Formen gemeinsamen Betens in
unserer Gemeinde heimisch zu machen versuche: die halbstündige stille Anbetung
zweimal in der Woche, die am Mittwoch einmündet in ein gemeinsam gesungenes
Abendlob. Darüber hinaus möchte ich nun auch ein Morgenlob anbieten, und zwar
zunächst am Dienstag und Freitag jeweils um 8.30 Uhr. Es ist ja oft so, dass
wir in die Arbeit und den Lärm und die Hektik eines Tages hineinstolpern, ohne
auch nur einen Gedanken an Gott verschwendet zu haben, und unsere Tage oft auch
so beenden.
Für die die behaupten, keine Zeit für Stille und Gebet zu Beginn oder am Ende
oder unterm Tag zu haben, möchte ich als Anregung weitergeben, was ich von
einem hochdotierten Manager eines Betriebes gehört habe. Er sagte, er beginne
jeden Tag mit einem andächtig gebeteten Kreuzzeichen, um den Tag mit allem, was
er bringt, unter den Namen und den Segen Gottes zu stellen. Welch schöner
Beginn!
Andere können und wollen sich vielleicht mehr Zeit nehmen, aber oft tun wir uns
schwer, allein und für uns selbst zu beten. Für solche könnte das gemeinsam
gesungene und gebetete Morgenlob mit Liedern, Psalmen, Dank - und Fürbittgebeten
ein sehr schöner Start in den Tag sein; eine schöne Weise, an der Quelle
Gottes zu trinken und von Ihm her die Aufgaben des Tages zu bewältigen oder sie
am Abend in Seine Hände zurückzulegen.
Zum Schluss dieser Predigt bleibt mir jetzt noch die Freude, bekannt zu machen,
dass eine Frau aus unserer Pfarrei, nämlich Frau Losekamm, von Weihbischof
Siebler die Beauftragung erhalten hat, solche gottesdienstlichen Feiern, aber
auch Andachten usw. zu gestalten und zu leiten. Sie wird diese Aufgabe übernehmen,
z. B. wenn ich selber verhindert bin oder einfach auch, um mich zu entlasten.
Auch dies ist ein wichtiger Dienst für Gott, für das Gebet in der Gemeinde und
damit für die Gemeinde selbst. Diese Gottesdienste, die nicht wie die
Eucharistie angewiesen sind auf das Amt des Priesters, kann jeder Christ kraft
seiner königlich-priesterlichen-prophetischen Würde als Getauft-Gefirmter
genauso leiten wie ein Priester. Denn in ihnen wirkt nicht in erster Linie das
Charisma des priesterlichen Amtes, sondern die Kraft des Gott hingegebenen und
zu ihm betenden Herzens.
Pfarrer Bodo Windolf
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