Predigt vom 14. Jan 2001 (Patrozinium St. Severin)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf


Thema: 
Wir sind aus Gottes Liebe geschaffen
Predigttext

Patrozinium St. Severin 2001  /  14. Januar 2001 / Familiensonntag

Er, Jesus, der ehelos lebte, beginnt nach dem Johannes Evangelium sein öffentliches Wirken auf einer Hochzeit. Kaum besser hätte Er seine Hochachtung vor Ehe und Familie ausdrücken können. Und so möchte ich den heutigen Familiensonntag, der zugleich unser Patrozinium ist, zum Anlass nehmen, einmal über die innere Sinngestalt von Ehe und Familie nachzudenken, wie sie vom Schöpfungsplan Gottes her gedacht sind zum Wohl von Mann und Frau und der heranwachsenden Kindern.

Ich beginne mit einer Vorüberlegung: Warum gibt es den Menschen? Warum gibt es mich, dich, jeden von uns? Die christliche Antwort: Aus reiner Liebe. Der einzige Grund ist die grundlose Liebe Gottes, die mich dich und alles andere ins Dasein gerufen hat.
Wenn ich aus Liebe geschaffen bin, dann auch auf Liebe hin. Meine letztlich einzige Bestimmung ist es, geliebt zu werden und darum selber zu lieben. Höchste Erfüllung findet diese Bestimmung in der Gottesliebe. Doch Gott will auch, dass diese Liebe den Umgang seiner Geschöpfe untereinander prägt und Seine Liebe sich in unserer menschlichen Liebe wie in einem kleinen Spiegel abbildet.

Als das in der Schöpfungsordnung schönste und kostbarste Abbild der Liebe Gottes zu uns sieht die ganze heilige Schrift die eheliche Liebe zwischen Mann und Frau. Immer wieder wird der Liebesbund Gottes mit den Menschen im Bild des Ehebundes besungen. Und daher auch versteht die Kirche die Ehe als Sakrament, übersetzt:als ein Zeichen. Gegenseitig sollen sie sich ein Zeichen, ein Hinweis dafür sein, wie jeder von ihnen von Gott geliebt ist. Füreinander sollen sie gewissermaßen Repräsentanten Gottes sein. Der Mann ist berufen, in seiner Liebe, die Frau ist berufen, in ihrer Liebe etwas von dem spürbar und erfahrbar zu machen, wie Gott sie, die Frau, wie Gott ihn, den Mann liebt. Sie sind berufen, in ihrer menschlichen Liebe trotz aller Grenzen und Schwächen etwas von Gottes Liebe und Treue gegenwärtig zu machen.

Diese Liebe zwischen Mann und Frau, die etwas von Gottes Liebe und Treue mitten in unserer Welt abbildet und vergegenwärtigen soll, ist gleichsam der Bogen, der sich wie ein schützendes Dach über der leiblichen Frucht dieser Liebe, über den Kindern wölbt. Diese Liebe zwischen Mann und Frau ist der von Gott gewollte geistige Raum, in den ein Kind hineingeboren werden soll. Was die Eltern füreinander sein dürfen, das dürfen sie nun auch für ihre Kinder sein, nämlich wiederum Repräsentanten, Vergegenwärtiger der Liebe Gottes. Und so gibt es gewisse Urgebärden, in denen diese Aufgabe immer wieder aufblitzt.
Grundlegend ist, dass ein Kind sich sein Leben nicht selbst gegeben hat, sondern es seinen Eltern ganz und gar verdankt. Sie die Eltern, repräsentieren darin den letzten und eigentlichen Geber aller Gaben, den, dem sich alles verdankt, nämlich Gott. Denn indem ihre Liebe Fleisch wird in ihrem Kind, werden sie zum Mitschöpfer eben ihres Kindes. Und so vergegenwärtigen sie die Liebe Gottes des Schöpfers.

Schauen wir weiter auf eine der ursprünglichsten Urgebärden: Wenn die Mutter ihr Kind herzt und küsst und anlächelt, dann wird sie irgendwann ein Lächeln und Jauchzen aus diesem kleinen Wesen hervorzaubern. Im Augenblick, in dem das Kind das Lächeln der Mutter erwidert, weiß es intuitiv: Ich bin geliebt. Ich muß meine absolute Bedürftigkeit und Hilflosigkeit nicht als Bedrohung empfinden, denn ich bin umfangen und getragen von einer Liebe, die mir nur Gutes will. Freilich, das Lächeln und die Liebe der Eltern verheißt immer noch mehr, als beide aus eigener Kraft zu halten vermögen. Soll diese Urverheißung daher keine trügerische Illusion sein, dann muß der Strahl der elterlichen Liebe, der das Kind trifft, von noch weiter herkommen. Es muß ein Strahl aus den unendlichen Liebesvorräten Gottes sein, ohne den niemand zu lieben vermag, weswegen man sagen kann: In der Liebe der Eltern wird dem Kind die Liebe Gottes gleichsam ansichtig; denn für das Kind fällt hier beides irgendwie zusammen, es kann ja als Baby noch nicht unterscheiden zwischen Gott und den Eltern.

Dasselbe wird in einer weiteren Urgebärde deutlich: Eine Mutter, ein Vater nimmt das Kind, das sich weh getan hat oder voller Angst erwacht, in die Arme und sagt immer wieder : Alles, alles wird wieder gut - und wieder verheißen sie mehr, als sie selbst halten können, denn nie können Eltern alles gut machen; und doch enthält dieses "Alles" die Wahrheit. Denn sie sprechen auch hier wieder für Den, der allein alles, wirklich alles gut machen kann, für Gott.

Wie sehr für das kleine Kind Gott und die Eltern ganz nah beieinander, ja fast eins sind, wird an noch weiteren Urgebärden deutlich: Für das Kind weiß z. B. der Papa alles, er kann alles, er ist einfachhin gut. Das sind alles Gottesprädikate. Erst relativ spät wird es erfahren, dass er doch nicht alles weiß und nicht alles kann und auch nicht immer gut ist. Aber am Anfang ist es anders. Und daher macht es in seiner Gegenwart die tollsten Sachen: pringt von Tischen und Schränken, läßt sich in die Luft wirbeln, weil es weiß: Wenn ich springe - er wird mich in seinen starken Armen auffangen. Mir kann gar nichts passieren.

Auch Gottes Autorität repräsentieren die Eltern. Denn sie werden dem Kind Grenzen setzen müssen, soll es nicht zu einem kleinen Tyrannen und Egoisten heranwachsen. Dies alles, - und man könnte noch manches andere nennen - zeigt die große Würde, die Eltern als Repräsentanten, als Stellvertreter Gottes für ihre Kinder haben. Diesen Raum der Liebe, der Geborgenheit, indem nach Gottes Schöpfungsplan in einem Kind das heranreifen soll, was die Psychologen "Ur - Vertrauen" nennen, diesen geistigen Raum der Familie, zu dem dann auch die religiöse Erziehung kommt, hat der große mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin als den "uterus spiritualis" bezeichnet; also gleichsam als die Verlängerung des leiblichen Uterus des Mutterschoßes in den geistigen Geborgenheitsraum der Familie hinein.
Jedes Kind wird einmal, das wissen wir, aus dem Paradies seiner Kindheit und der schützenden elterlichen Liebe vertrieben. Aber wenn es gesund aufgewachsen ist, wenn ihm besagtes Urvertrauen als "eiserne Ration" für das ganze Leben mitgegeben wurde, dann wird es im tiefsten Grund seiner Seele wissen: Ich bin von einer Liebe geliebt und umfangen, die, mag mir zustoßen was will, die Macht hat, die Verheißungen wahrzumachen, die am Beginn meines Lebens aufgeleuchtet sind.

Liebe Gemeinde!

Ist das nicht irreal und utopisch, was ich hier beschrieben habe, vor allem angesichts der realen Situation, in der heute viele Kinder aufwachsen? Ich möchte dazu sagen: Wenn wir keine Vision, kein Bild von dem haben, wie es sein könnte und sein sollte, dann werden all die Kräfte, die in uns sind, um es zumindest zu versuchen, gar nicht erst mobilisiert.

Wir alle wissen welche Tragödie es ist, ja welche seelischen Verwüstungen in Kindern oft für ihr ganzes Leben angerichtet werden, wo sie vernachlässigt werden, weil Karriere und der schnöde Mammon wichtiger sind als sie, die Kinder selbst; oder wo eine Ehe auseinanderbricht. Für Kinder im buchstäblichen Sinn des Wortes ein Weltuntergang, nämlich der Untergang, das Entzweibrechen ihrer eigenen kleinen, heilen Welt, an die sie einfach geglaubt, auf die sie vertraut haben. 
In der Tat: Unsere Gesellschaft, wenn sie Zukunft haben will, braucht Mütter, die mit Leib und Seele Mütter, braucht Väter, die mit Leib und Seele Väter sind - braucht Eltern, die sich der Würde und Wichtigkeit ihrer Aufgabe bewußt sind: nämlich durch ihre elterliche Liebe einen Strahl der heilenden und Vertrauen schenkenden Liebe Gottes in die Herzen ihrer Kinder einzusenken. Tun wir das Unsere dazu und beten wir um solche Familien.

Pfarrer Bodo Windolf

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