Predigt vom 5. Nov 2000 (31. Sonntag)
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St. Severin Garching |
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Pfarrer
Bodo Windolf
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Thema |
Drei K sind out – www ist in
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Predigt-Text |
Drei K sind
out, www ist in, so prangte es als Überschrift über ganzseitigen
Werbeanzeigen der jetzigen Bundesregierung und zwar in diversen deutschen
Zeitschriften der vorletzten Woche, das Ganze finanziert aus Steuergeldern.
Kinder, Küche, Kirche sind out, von
gestern, Sache der Ewiggestrigen, in die Ecke gestellt vom Internet, vom
world wide web, dem die Zukunft gehört.
Hier muß Frauenpower ran, um „Deutschland seinen wirtschaftlichen Spitzenplatz
in Europa zu sichern“, so heißt es darin wörtlich.
Abgesehen
von der dümmlichen Geschmacklosigkeit dieser Werbeanzeige frage ich mich, ob
sie nicht symptomatisch für unsere Gesellschaft ist und dafür, wie krank
inzwischen so manches geworden ist.
Die ersten,
die out sind, von gestern: unsere Kinder.
Das Problem ist nur, dass Kinder nun einmal nicht im Internet gezeugt werden,
dass sie auch zu real sind, um von er virtuellen Realität des world wide web
ernährt und großgezogen zu werden, und zu allem Überfluß ist es leider auch so,
dass man Kinder auch in Zukunft noch brauchen wird, damit überhaupt noch jemand
da ist, der Deutschland seinen wirtschaftlichen Spitzenplatz sichern kann.
In einer Zeit in der die Rentenproblematik, verursacht durch ausuferndes
Singledasein, durch eine stillschweigende Aufkündigung des
Generationenvertrags; durch eben zu wenig Kinder, in aller Munde ist – in einer
solchen Zeit mit „Kinder sind out“ Werbung zu betreiben, ist nicht nur dumm
sondern blanke Verantwortungslosigkeit.
Des weiteren wird Werbung betrieben für
„Küche ist out“, mit anderen Worten: es ist out, Kindern ein Heim zu geben,
das sie nährt an Leib und Seele.
Denn Küche bedeutet ja nicht nur, dass einem da ein Essnapf auf den Tisch
gestellt wird, sondern dass da jemand da ist, eine Frau, Eine Mutter, manchmal
auch ein Vater, jedenfalls ein Mensch, der einem Kind Nestwärme gibt, für das
leibliche und seelische Wohl sorgt, dem Kind nicht nur ein Dach für den Kopf,
sondern noch wichtiger und davon nicht zu trennen: ein Dach für die Seele gibt.
Es ist und bleibt ein politischer Skandal, der noch von keiner Bundesregierung
ernsthaft angegangen wurde, dass Frauen, die auf eigenen Erwerb verzichten, um
sich ganz den Kindern zu widmen und ein gutes Zuhause zu geben, die den
künftigen Ruheständlern einmal eine üppige Rente zahlen werden, selbst leer
ausgehen, wie zum Hohn abgespeist mit dem kläglichen Almosen eines
Erziehungsgeldes von ein paar Markfünfzig. Die vor Jahren durch die Presse
gehende Klage einer Mutter, die 8 Kinder großgezogen hatte, die nun tausende in
die Rentenkasse zahlen, aus der sie selbst nichts bekommt, kann letztlich
keinen Erfolg haben, weil sie als Wählerlobby nicht in Frage kommt. Und nun
darf sie sich auch noch als eine beschimpft wissen, die sowieso out ist.
Als letzte darf sich von unserer Bundesregierung dann
noch die Kirche als out und von
gestern verunglimpfen lassen; die Institution also, deren sich der Staat gerne
bedient, um seinen sozialen Verpflichtungen überhaupt nachkommen zu können. Man
denke sich nur einmal die zehntausende kirchlichen Kindergärten, Schulen,
Krankenhäuser, Altenheime, Beratungsstellen und, und, und, weg und überlege,
wie unser Sozialstaat aussähe, auf den wir uns so viel zu gute halten.
Hat diese Anzeige, die mir die
Zornesröte ins Gesicht treibt, weil sie unzählige Menschen, besonders unzählige
Frauen diffamiert, auch etwas mit dem
heutigen Evangelium zu tun ?
Wenn man genauer hinschaut, dann sieht man, dass alle drei so altmodisch
gewordenen „K’s“ Beziehungsbegriffe
sind. Die Kirche steht für unsere Beziehung zu Gott und zur großen Gemeinschaft
der Mitmenschen, von denen jeder dem wahren Christen ein Nächster sein muss,
sobald er seiner bedarf.
Kinder stehen natürlich für den Bereich der intimsten menschlichen Beziehungen,
der Beziehungen in einer Familie; und Küche steht für das Umfeld, für die
Einbettung, die die familiären Beziehungen brauchen, um gut gedeihen zu können;
also für Heim, Heimat, menschliche Wärme, Geborgenheit, damit nicht seelisch
gestörte und oft zerstörte Kinder, gewaltbereite Chaoten, Abzocker, reine
Spaßsmaximierer und Egomanen herangezogen werden, sondern seelisch gesunde und
damit gemeinwohlfähige Kinder.
Um Beziehung geht es nun aber auch im
heutigen Evangelium.
Nach dem Gebot gefragt, das von allen das erste ist, gibt Jesus die
Antwort:
Allein darauf kommt es letztlich an:
dass du in Beziehung stehst.
Alles andere ist und bleibt demgegenüber zweitrangig. Du tust die Gebote, wenn
du in liebender Beziehung zum Du stehst; in liebender Beziehung zuallererst zum
Du Gottes; aber genauso wichtig in liebender Beziehung zum Du des Mitmenschen.
Alle Gebote, die es sonst noch geben mag, haben diesen einen Sinn: mich in
liebender Beziehung zu Gott und zu Mitmenschen zu bewahren, mich dahin tiefer
hineinzuführen oder dahin zurückzuführen, wenn ich aus der Liebe herausgefallen
bin.
Der Slogan: „Drei K sind out, www ist
in“ aber belügt den Menschen damit, dass es veraltet sei, das Schwergewicht
des eigenen Lebens in gelebter Beziehung zu suchen; aus der Welt des Du versucht er Frauen in die kalte Welt des
„Es“ hinüberzuziehen, wie der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sagen
würde: in die Welt der Sachen, der Maschinen, der Computer, wo das Gegenüber
nicht das Antlitz eines Du, sondern die kalte Logik einer Maschine ist.
Wer sich in der Welt des Es verliert, der verliert auf Dauer sich selbst, der
verliert seine Seele, weil wir, wie wiederum Martin Buber sagen würde, so
geschaffen sind, dass wir uns selbst nur am Du gewinnen, in gelebter Beziehung
mit all ihrem Schönen, oft natürlich auch Schwerem und Aufreibendem. Aber den
Kampf um gelingende dauerhafte Beziehungen aufzunehmen, hilft mir selbst im
Scheitern noch mehr, zu mir selbst zu kommen, als wenn ich gar nicht erst
antrete und mein Heil rein aus der Welt des „Es“ erwarte.
Mir schaudert manchmal wenn ich mir vorstelle, welch große Probleme an
Vereinsamung und psychischer Erkrankungen die wachsende Zahl der Singles mit
sich bringen wird. Der ganze Aufmacher: Drei K sind out, www ist in, ist daher
im Grunde menschenverachtend.
Unsere Gesellschaft und die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte
krankt nicht zuletzt daran, dass die Arbeit von Frauen, die sich der Familie
und Kindern widmen, nicht als mindestens so wertvoll, nein als eigentlich
wertvoller als die fast aller anderen Berufe anerkannt wurde; es dürfte einfach
nicht mehr vorkommen, dass sich jemand als „nur“ Hausfrau bezeichnet; und es
müsste ein allgemeines Gespür dafür da sein, welche Frechheit es ist, von „Erziehungsurlaub“
zu reden; so als wäre die Erziehung von Kindern ein Urlaub ganz besonderer
Art.<
Hier haben Christen die Aufgabe, viel
Bewußtseinsbildung zu betreiben, im gesellschaftlichen und im politischen
Bereich. Ich möchte schließen mit einem Wort Martin Bubers: „Unser Glaube
(und unsere Liebe zu Gott) hat unsere Menschlichkeit zur Grundlage, und unsere
Menschlichkeit hat unseren Glauben (an Gott und die Liebe zu Ihm) zur
Grundlage.“
Pfarrer Bodo Windolf,
Garching, St. Severin
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