Predigt vom 16. Juli 2000 (15. Sonntag im Jahreskreis)
|
St. Severin Garching
|
Prediger |
Pfarrer
Bodo Windolf
[Seitenanfang]
Thema |
Geh und rede als Prophet
... die Sendung aller Menschen
[Seitenanfang]
Predigt-Text |
Amos 7, 12-15; Markus 6,
7-13
Ein einfacher Mann, ein
Mensch wie du und ich, einer, der sein gewöhnliches Leben lebte, seinem Beruf
nachging wie tausend andere, dem Beruf eines Viehhirten und Maulbeerfeigenzüchters,
von dem nicht gesagt wird, ob er besonders religiös war oder nicht, der nach
eigener Aussage jedenfalls kein Prophetenschüler war und sich auch nicht als
Prophet verstand - in das Leben dieses gewöhnlichen jüdischen Mannes bricht Gott
ein: "Geh und rede als Prophet zu meinem Volk
Israel".
Es ist nicht gerade
angenehm, was er zu verkünden hat: Ihr, die ihr das Geld nur so schachert, es
mit Lug, Trug, Gewalt und Unterdrückung anhäuft! Ihr, die ihr die Gerechtigkeit
zu Boden schlagt und die hasst, die zu Recht und Gerechtigkeit mahnen und das
Wahre sagen! Ihr, die ihr euch bestechen lasst und den Armen niederstoßt, auf
euren Betten faulenzt, euch betrinkt und zur Musik grölt und euch in falscher
Sorglosigkeit und Selbstsicherheit wiegt! All das hat Amos, die Ruhe und
Besinnlichkeit seines bisherigen Lebens verlassend, im Auftrag Gottes
hinauszurufen; die Empörung Gottes über all das, was in seinem Volk an Unrecht,
an Gottlosigkeit und, daraus folgend, an Unmenschlichkeit geschieht; so ungeschminkt,
daß die religiösen und politischen Machthaber ihn schnellstens los sein wollen:
"Geh, Seher, flüchte ins Land Juda zurück, ehe wir dich mit Gewalt
entfernen! Iß dein Brot dort, wo du herkommst und rede zu denen, die es hören
wollen, aber nicht zu uns!" Sinngemäß so haben wir es vorhin in der Lesung
gehört.
Einige Jahrhunderte
später sind es jene Zwölf aus Galiläa, die sich herausreißen lassen aus ihren
alltäglichen Verrichtungen, aus ihrem Dasein als Fischer, die dem Ruf Jesu von
Nazareth folgen, die mit ihm sind und sich wie einst Amos senden lassen:
"Geht, laßt allen Ballast beiseite, der euch an eurem Auftrag hindern
könnte. Die Vollmacht, die unreinen Geister zu entlarven und auszutreiben, das
ist das einzig Nötige und euch auf euren Weg mitgegeben. Bleibt, wo man euch
aufnimmt; wo man euch aber abweist, schüttelt den Staub von
euren Füßen zum Zeugnis
gegen sie."
Wer uns in beiden
Lesungen begegnet, sind Menschen, die bereit sind, sich senden zu lassen; die
bereit sind, dem Ruf Gottes in ihr Leben hinein Gehör zu schenken; die bereit
sind, ihr Leben umzukrempeln, um es nicht mehr einfach nur nach den eigenen
Bedürfnissen, sondern auch und vor allem den Bedürfnissen Gottes entsprechend
zu gestalten.
Wie aber steht es
diesbezüglich mit uns? Denken wir: Das betrifft doch nur Priester und
Ordensleute! Damit haben wir doch nichts zu tun! Oder sind auch wir bereit, uns
senden zu lassen? Sind auch wir bereit, uns als Gesendete zu verstehen? Sind
wir bereit, es als einen ganz und gar zentralen Aspekt unseres
Selbstverständnisses als
Christen anzusehen, daß wir als Getauft-Gefirmte nicht mehr einfach nur uns
selbst gehören, sondern Gott, dem Gott, der für jeden von uns einen Auftrag
hat, eine Sendung, die nur ich zu erfüllen vermag und die ungetan, unerledigt,
unwiderruflich versäumt bleibt, wenn ich mich dieser Aufgabe und Sendung
entziehe - wenn ich mich entziehe zum eigenen Schaden und zum Schaden der
Kirche, zum Schaden des Leibes Christi, der nach dem bekannten Bild des hl.
Paulus nur gesund ist, wenn das Auge, der Arm, das Bein auch bereit sind, ihre
Aufgabe eben als Auge oder als Arm oder als Bein zu erfüllen?
Wenn es zum Wesen eines
jeden christlichen Lebens gehört, gesendet zu sein, dann ist natürlich das
Entscheidende, auch herauszufinden, was denn meine Aufgabe ist, meine Sendung,
zu der Gott mich ruft und beruft. Ja, es ist ein Ruf, um den es geht, so wie es
ja auch im Evangelium hieß: "Jesus rief die Zwölf zu sich und sandte sie
aus". Wenn es sich so verhält, dann muss das Ergreifen der eigenen Sendung
auch etwas mit einem vorgängigen Hören zu tun haben. Aus dem Nachdenken, aus
dem Beten, aus dem Erhorchenwollen eines solchen Rufes, aus dem wachsamen Hören
auch auf meine persönliche Lebenssituation und ihre Erfordernisse, um auch
daraus den Ruf Gottes zu vernehmen - "Was willst Du, das ich tun
soll?" (vgl. Apg 22,10) - aus all dem können sich so etwas wie Aufgaben
für den heutigen Tag, oder Aufgaben für den momentanen Lebensabschnitt oder
auch Aufgaben auf längere Frist hin herauskristallisieren.
Was das jeweils konkret
heißt, wird sehr unterschiedlich sein. Es könnte die Annahme einer Krankheit
oder eines anderen Leides oder Schicksalsschlages sein. Es könnte in einer
schweren Ehekrise trotz aller Versuchung zum Aufgeben der Ruf zur unbedingten
Treue inmitten von so viel uns umgebender Untreue sein. Es könnte das Stehen
zum eigenen Glauben mitten in einer ungläubigen Umgebung sein. Oder einfach nur
das schlichte Tun der alltäglichen Pflichten in der Liebe Jesu Christi. Aber
was immer es sein mag - stets wird es darauf ankommen, ein Zeuge Jesu Christi
zu sein, in der Familie, im Beruf, im Kollegen-, Bekannten- und Freundeskreis
oder wo auch immer. Wenn nötig, durch Worte, aber auch durch wortloses Tun und
die innere Haltung, durch das persönliche Gebet gerade an Orten, wo nicht
gebetet wird und Gott keinerlei Rolle spielt, durch das Stehen zur eigenen
christlichen Überzeugung, usf. Solche christliche Zeugenschaft, unaufdringlich,
aber mit großer Selbstverständlichkeit, solche Bereitschaft, Sauerteig in immer
weniger christlicher Umgebung zu sein, ist heute vielleicht wichtiger denn je.
Papst Pius XII. sagte
einmal: "Die Gläubigen, genauer: die Laien, befinden
sich an der fordersten
Front der Kirche, durch sie ist die Kirche Lebensprinzip der menschlichen
Gesellschaft".
Er will damit sagen: An
den Orten der Gesellschaft, wohin Priester und andere hauptamtliche Verkünder
des Evangeliums gar nicht mehr hingelangen, dort müssten, dort sollten die
Getauften sich als Gesendete, als genau dorthin Gesendete verstehen, um für den
Glauben an Gott und Jesus Christus Zeugnis zu geben. So sind sie Kirche. Wo die
Gläubigen nicht Kirche sind und nicht als Kirche leben, als Getaufte mit einer
je ganz eigenen Sendung, da verschwindet eben die Kirche und der Glaube an
Jesus Christus. Die Sorge, ob unser Zeugnis auch Erfolg hat, ist dabei gänzlich
untergeordnet. Das Wort vom Staub, den wir von den Füßen schütteln sollen, wo
der Gesendete mit seiner Botschaft keine Aufnahme findet, will sicher auch
sagen: Das Entscheidende ist, dass es Zeugen gibt, dass es Menschen gibt, die
das Evangelium Jesu Christi leben und verkünden. Wie und wo und wann die
Botschaft ankommt, muss dann nicht mehr unsere Sorge sein, sondern ist die
Sorge Gottes. Durch Ihn wird nichts, was
wir als Glaubende leben
und sagen, vergeblich sein. Wichtig ist nur, dass es diese Glaubenden, diese
Zeugen auch heute noch gibt; Glaubende, die bereit sind, sich senden zu lassen
und ihr Christsein als Sendung zu verstehen.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Sind wir dazu
bereit?
Pfarrer Bodo Windolf, Garching St. Severin
|
|