Predigt vom Dreifaltigkeitssonntag (18. Juni 2000)
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St. Severin Garching
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Prediger |
Pfarrer
Bodo Windolf
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Thema |
Dreifaltigkeit
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Predigt-Text |
Hexe: Und neun ist eins,
und zehn ist keins
Das ist das Hexen-Einmaleins
Faust: Mich dünkt, die
Alte spricht im Fieber
Mephisto: Mein Freund, die
Kunst ist alt und neu
Es
war die Art zu allen Zeiten
durch Drei und Eins und Eins und Drei
Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.
(Faust, Hexenküche)
Vielleicht
kennen einige von Ihnen diese Stelle aus Goethes Faust. Offensichtlich wird
hier aus dem Mund des Mephistopheles der christliche Dreifaltigkeitsglaube in
die Nähe des Hokuspokus und der unsinnigen Sprüche einer zaubernden Hexe
gerückt.
Derselbe
Goethe sagt in einem Gespräch mit Eckermann: "Ich glaubte an Gott und die
Natur und an den Sieg des Edlen über das Schlechte, aber das war den frommen
Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, daß drei eins sei und eins drei;
das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele, auch sah ich nicht ein,
daß mir damit auch im mindesten wäre geholfen gewesen." (Greshake, An den
Dreieinigen Gott glauben, 7)
Einige
Jahre zuvor hatte der Philosoph I. Kant im selben Sinne formuliert: "Aus
der Dreieinigkeitslehre läßt sich schlechterdings nichts fürs Praktische
machen" (ebd. 8).
Beide
sind sich also einig: Der christliche Glaube an den Einen Gott in drei Personen ist eigentlich nichts als unsinnige
Zahlenakrobatik, widervernünftige Spekulation über Gott aus den ersten
Jahrhunderten der Christenheit, mit der wir heute nichts mehr anfangen können,
und die außerdem nicht das Geringste mit unserem praktischen Lebensalltag zu
tun hat.
Vermutlich
entspricht diese Ansicht dem Gefühl nicht weniger Christen bis heute. Und
deswegen möchte ich einmal fragen, ob das wirklich stimmt und ob die
Revolutionierung des Gottesbildes, die mit der Dreifaltigkeitslehre gegeben
ist, nicht auch sehr praktische Konsequenzen
für das Menschenbild und damit für unser Leben hat.
Die
Zeit Goethes und Kants war die Zeit der Aufklärung. Wenn man überhaupt an einem
persönlichen Gott glaubte, was für Goethe zumindest zweifelhaft ist, dann
stellte man ihn sich nach dem Bild eines übermenschlichen Weltenbaumeisters
vor. Als allwissender und alleskönnender, aber einsamer Herrscher thronte er
über der Welt, die er ins Werk gesetzt, im übrigen dann aber sich selbst
überlassen hatte.
Etwa
zur selben Zeit wurde nun aber der Glaube an Gott einer ganz grundsäztlichen
Kritik unterworfen. Ludwig Feuerbach, philosophischer Vorläufer von Karl Marx,
stellte die These auf: Nicht wir Menschen sind nach dem Bild Gottes erschaffen,
sondern es verhält sich genau umgekehrt: Wir Menschen haben Gott nach unserem Bild entworfen und
konstruiert. Um es mit einem Vergleich aus unserer Zeit zu sagen: Wir alle
wissen, wie mittels eines Diaprojektors das Bild eines kleinen Dias in
übermenschlicher Größe auf eine Leinwand projiziert werden kann; genauso haben
nun nach Feuerbach wir Menschen unser eigenes menschliches Wesen auf ein
übermenschliches göttliches Wesen im Himmel projiziert. In Gott verehren wir
nur unser eigenes unendlich vergrößertes und damit fiktives Spiegelbild. Um
daher zu uns selbst zu finden und vor allem frei zu werden von diesem Gehorsam
einfordernden Übervatergott, müssen wir ihn abschaffen bzw. den illusorischen
Glauben an ihn.
Feuerbach
meinte nun, mit seiner Kritik u.a. auch den christlichen Gott getroffen zu
haben. So sehr ein solches Gottesbild in der christlichen Verkündigung sicher
auch eine Rolle ge-spielt haben mag, in Wirklichkeit hatte Feuerbach nur das
eher naive Gottesbild der Auf-klärung getroffen,
das ja tatsächlich nach dem Bild und Gleichnis eines überdimensionierten
Menschen entworfen war.
Nun gibt es aber tatsächlich ein Problem, das der
Weltenbaumeistergott der Aufklärung auch mit dem biblischen, genauer: mit dem
alttestamentlich-jüdischen Gottesbild gemeinsam hat. Das Problem lautet, ein
wenig verkürzt und vereinfacht formuliert: Was tat dieser einpersonale Gott
gewissermaßen “vor” der Schöpfung? Hat er sich in Einsamkeit verzehrt? Hat er
den Menschen nur erschaffen, um endlich jemanden zu haben, dem er sich zuwenden
und mit seiner Zuneigung beschenken kann? Hat er uns also erschaffen, um
überhaupt erst lieben zu können und so aus seinem öden und grausamen Alleinsein
erlöst zu werden? Sinngemäß so gibt jedenfalls der jüdische Religionsphilosoph
Pinchas Lapide die Antwort der jüdischen Gelehrten und die Frage nach dem Warum
der Schöpfung wieder.
Dieses
Problem löst sich nun in der Tat erst mit dem christlich-trinitarischen
Gottesbild. Dieses besagt aufgrund der neutestamentlichen Zeugnisses: Gott ist
und war nie ein einsam thronender Weltenherrscher. Immer schon ist er in sich
selbst undendlich liebende Gemeinschaft und sich verschenkende Liebe. Was ich
vergangenen Sonntag über den Heiligen Geist gesagt habe, daß nämlich sein Wesen
ist, Gabe zu sein, Gabe für uns, um
auch uns zur Gabe zu machen, das gilt in ganz gleicher Weise für die beiden
anderen
göttlichen
Personen, für Vater und Sohn. Nie wollte der Vater einfach nur für sich allein
Gott sein, vielmehr verschenkt er seit Ewigkeit sich selbst so sehr, daß eine
zweite Weise, an der Fülle seiner Gottheit teilzuhaben, Ihm im Sohn
gegenübersteht. Genauso vorbehaltlos schenkt sich der Sohn Ihm zurück und beide
verschenken sich noch einmal
gemeinsam
so sehr, daß seit Ewigkeit der Heilige Geist zugleich als Frucht und als
beflügelnde Kraft Ihrer Liebe zu Ihnen gehört. Das aber heißt: Gott hat Welt
und Mensch nicht erschaffen, um endlich jemanden zum Lieben und zum
Sich-verschenken zu haben, sondern aus dem Überschwang seiner eigenen ewigen
Liebe hat er alles endliche Sein ins Dasein gerufen, um so auch endliche
Geschöpfe an dieser Liebe und ihrer Seligkeit teilnehmen zu lassen.
Wenn
das aber stimmt und wir nach dem Bild dieses Gottes geschaffen sind, dann muß
das auch Konsequenzen für unser menschliches Selbstverständnis und Leben haben.
Wir
alle wollen uns selbst finden und selbstverwirklichen. Wie oft geschieht dies
aber nach der Devise: zu allererst komme ich, meine Bedürfnisse, mein
Fortkommen, mein Vorteil, mein Wohlbefinden, wenn es sein muß, auch auf Kosten
anderer.
Nach
dem Gesagten ist das vermutlich der geeignetste Weg, sich selbst zu verfehlen.
Selbstverwirklichung gelingt dann nämlich nur über den scheinbaren Umweg des Du. Sein Leben hinzuordnen immer auch -
und vielleicht sogar in erster Linie - auf das Wohl anderer, es zu leben als Geschenk an Gott und den mir auf den Weg
gestellten Mitmenschen, ist Wiederspiegelung der innergöttlichen Liebe und
damit meine wahre
Selbstverwirklichung
als geschöpfliches Abbild dieser Liebe.
Das
aber zeigt: Weit entfernt davon, nur unsinnige Spekulation zu sein, hat der
christliche Glaube an den drei-einigen Gott nicht nur das menschliche
Gottesbild revolutioniert und es
möglich gemacht, Gott ganz und gar als Liebe
zu denken und zu glauben, sondern es hilft auch erst zu verstehen, wie
wahres Menschsein ganz praktisch geht. Was es dabei freilich konkret für jeden
von uns heißt, sein Leben als liebendes Geschenk an das Du Gottes und der
Mitmenschen zu leben, bleibt unserer persönlichen grenzenlosen Phantasie
überlassen. Hier ist all unsere Kreativität gefragt, allem voran aber unser
Glaube und Vertrauen auf den Gott, der die Liebe ist; die Liebe von Vater, Sohn
und Heiliger Geist.
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