Predigt vom 11. Juni 2000 (Pfingstsonntag)
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St. Severin Garching
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Prediger |
Pfarrer
Bodo Windolf
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Thema |
Heiliger Geist
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Predigt-Text |
Predigt zum
Pfingstfest 2000
Würde
man einen durchschnittlichen Christenmenschen in Verlegenheit bringen wollen,
was seinen Glauben betrifft, wäre eine vermutlich unfehlbare Methode, ihn zu
fragen: „Erzähl mir doch bitte einmal etwas über den
Heiligen Geist!“ Ich gebe zu, dass es auch studierten Theologen nicht
leicht fällt, über Ihn wirklich Erhellendes zu sagen. Dennoch will ich den
Versuch wagen und einen kleinen, aber sehr wichtigen Aspekt beleuchten, der deutlich
macht, wer der Heilige Geist ist und
wer Er vor allem für uns sein möchte.
Unter
den vielen Namen, die die hl. Schrift dem Heiligen Geist zulegt - wie etwa
Atem, Wind, Sturm, Feuer, lebendiges Wasser, Taube, Finger Gottes - ist einer
besonders häufig. An unzähligen Stellen wird Er direkt oder indirekt einfach
als Gabe bezeichnet, als die Gabe Gottes schlechthin. Um nur zwei
Beispiele zu nennen: „Kehrt um ... dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38; vgl. 8,20; 10,45).
Und: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in eure Herzen durch den Heiligen Geist,
der euch gegeben ist“ (Röm 5,5).
Natürlich
fallen uns dazu sofort die bekannten „sieben Gaben“ des Heiligen Geistes ein,
aber das ganze Neue Testament macht deutlich, dass es letztlich und eigentlich
um die Gabe geht, die Er Selbst ist.
Nicht „etwas“, sondern der Heilige Geist selbst ist die endzeitliche Heilsgabe
Gottes an uns. Das aber heißt: Das innerste Wesen, die alles bestimmende
Eigenschaft des Heiligen Geistes ist es, Gabe zu sein, Geschenk zu sein. Er ist
reines Sich-selbst-Geben, Sich-selbst-Verschenken. Genau das aber ist das Wesen der Liebe. Liebe kann nicht mehr als sich selbst verschenken, und sie
will, wenn sie echt ist, auch nicht weniger verschenken als eben sich selbst.
Daher ist der Heilige Geist die Liebe Gottes selbst, und zwar als eine eigene
göttliche Person. Er ist die Liebe,
mit der Vater und Sohn sich lieben; und zugleich ist er diese Liebe Gottes als Gabe für uns, ausgegossen in unsere
Herzen, damit wir erfüllt werden von dieser Liebe. Überall wo Christen und Nicht-Christen
in selbstloser Weise lieben – denn der Heilige Geist weht und wirkt, wo Er
will, macht also an den Grenzen der Kirche gewiss nicht halt – da tut Er Sein
Werk in uns Menschen und versucht, uns mit Sich und Seinem Wesen anzustecken.
Das aber heißt: Sein Sinnen und Trachten ist nicht nur, Gabe zu sein, sondern
es ist, uns selbst zu einer solchen Gabe werden zu lassen; und das heißt in der
Tat: uns mit Sich Selbst anzustecken. So wie wir ja auch im 3. Hochgebet der
Eucharistiefeier beten: „Er mache uns auf immer zu einer Gabe die dir
wohlgefällt ...“
Wenn
nun der Heilige Geist die Liebe Gottes in Person ist, dann muss Er auch für die
unsagbare Freude, für die
überschwengliche Seligkeit wahrer, tiefer,
echter Liebe stehen. Und dann kann es auch nicht falsch sein, für Ihn einen
besonderen Bezug zu jenem Lebensstatus herzustellen, in dem hier auf der Erde
Menschen sich am meisten gegenseitig zum Geschenk, zur Gabe machen, und wo die
Freude sich verschenkender Liebe auch am tiefsten erfahren wird, nämlich
ganz-menschlich, geistig, seelisch, körperlich – und das ist zweifellos in der
Ehe der Fall.
Papst
Johannes Paul hat einmal in einer seiner Ansprachen gesagt: „Der menschliche
Leib mit seiner Geschlechtlichkeit (...) ist nicht nur Quelle der Fruchtbarkeit
und der Vermehrung, wie in der gesamten Natur-Ordnung, sondern schließt von
Anfang an das eheliche Merkmal ein, nämlich die Liebe auszudrücken: eben jene
Liebe, in der der Mensch als Person zur Gabe wird und durch diese Gabe den
eigentlichen Sinn seines Seins und Existierens verwirklicht“ (zit. nach
Cantalamessa, 110).
Und so ist es kein Zufall, dass die Kirchenväter bei ihrem Sprechen über
den Heiligen Geist sich nicht gescheut haben, auf die körperliche Liebessprache
zurückzugreifen, nämlich auf Bilder wie Umarmung, Kuß, überschwenglicher Genuss
(lat.: fruitio), um so Wesen und Wirken des Heiligen Geistes zu beschreiben. So
lautet z.B. ein schöner Text des hl. Augustinus: „Die unsagbare Umarmung des Vaters
und des Abbildes (d.h. des Sohnes) ist nicht ohne Genuss, ohne Liebe, ohne
Freude. Dieses Wohlgefallen, Vergnügen, Glück, diese Seligkeit – wenn überhaupt
ein menschliches Wort existiert, das diese Dinge ausdrücken kann – (...) ist in
der Trinität der Heilige Geist, der (...) die Zartheit des Zeugenden (d.h. des
Vaters) und des Gezeugten (d.h. des Sohnes) ist und mit seiner Freigebigkeit
und seinem ungeheuren Überfluss alle Kreaturen ihrem Fassungsvermögen gemäß
überflutet ...“ (ebd. 112).
Der hl. Bernhard von Clairvaux schreibt: „Was ist der Heilige Geist
anderes als der Kuss, den der Vater und der Sohn einander geben“, wobei, wie
wir den hl. Ambrosius hinzufügen lassen können, im Kuss ja schon bei Menschen
„mehr liegt als der bloße Kontakt der Lippen, nämlich der Wunsch, sich
gegenseitig den eigenen Atem einzuhauchen“, also gewissermaßen den Geist der
eigenen Liebe.
Wo eheliche Liebe gelingt, wo Eheleute, Frau und Mann, versuchen, ihr
Leben als Gabe zu leben, der Mann an seine Frau, die Frau an ihren Mann, beide
an ihre Kinder, und wo sie, sicher auch inmitten der Alltäglichkeit und Mühsal
des Zusammenlebens, mit Seele und Leib
etwas von der Freude erfahren, die in jeder echten Liebe enthalten ist, dann
ist das nicht zuletzt auch eine Erfahrung von Wirken und Wesen des Heiligen
Geistes.
Wie wenig das Gesagte nur schöne Theorie ist, sondern ganz praktische
Auswirkungen haben kann, haben schon viele Ehepaare erfahren, deren Liebe so
gut wie erloschen oder nur noch flaue Routine war. Gerade im Umfeld der
charismatischen Erneuerungsbewegung gibt es eine Unzahl von Beispielen , wo
solche Eheleute sich durch das Gebet anderer und durch persönliches Gebet um
den Heiligen Geist sich so dem Geist Gottes öffnen konnten, dass gewissermaßen
Sein Hineinbrausen in ihre Beziehung ihre schon erloschene Liebe und erstorbene
Ehe neuentfacht und neubelebt hat. Und so möchte ich schließen mit dem Zeugnis
eines Ehepaars, das ich vor kurzem gelesen habe:
„Ich und meine Frau bekennen, dass der Heilige Geist die Seele unserer
Ehe ist, also das, was ihr Leben gibt, genauso wie er die Seele der Kirche ist.
Als wir uns verlobten, fassten wir den Vorsatz, jeden Tag gemeinsam die
Pfingst-Sequenz zu beten: ‚Komm, Heiliger Geist‘, und in diesen zweiundzwanzig
Jahren haben wir das – mit ganz wenigen Ausnahmen – immer zu tun versucht, und
wir hoffen, es weiterhin zu tun, bis der Tod uns scheidet.“
Die Ehefrau fügt ihrerseits hinzu:
„Für mich ist der Moment der ehelichen Vereinigung nicht verschieden von
der Nachfolge des Geistes in anderen Lebenssituationen. In unserem Eheleben ist
es natürlich geworden, von Momenten der Intimität zum Gespräch, zum Gebet oder
zum Schweigen überzugehen; es gibt zwischen beidem keinen Bruch. Anstatt einige
Momente, wie zum Beispiel die Sonntagsmesse, als ‚für Gott‘ zu betrachten und
andere, wie die sexuelle Intimität, als ‚für uns‘, ist alles für Gott; alles
ist frei und bewusst in seiner Gegenwart gelebt. Der Heilige Geist ist nicht
nur die Quelle unserer Zärtlichkeits-Bezeigungen, wenn die ‚Zeit, sich zu
umarmen‘ gegeben ist, sondern er ist auch derjenige, der unsere gegenseitige
Liebe wachsen lässt, wenn die ‚Zeit, sich der Umarmung zu enthalten‘ (Koh 3.5)
gegeben ist, vor allem nun, da wir nicht mehr ganz jung sind.“ (ebd. ?)
Um den Heiligen Geist als die
Gabe Gottes, als die Gabe Seiner Liebe, durch die Er uns und unser Leben
ebenfalls zu einer Gabe machen möchte, zu einer Gabe an Gott und die
Mitmenschen – in der Ehe, in der Familie, im Beruf, als Alleinstehende, als
zölibatär Lebende, oder wo immer wir stehen und unser Leben leben – um diesen
Geist wollen wir bitten, damit geschehe, um was wir, wie schon gesagt, in der
Liturgie der Eucharistie beten: „Er mache uns auf immer zu einer Gabe, die dir
wohlgefällt.“
Pfarrer Bodo Windolf, Garching St. Severin
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