Predigt vom 20. April 2000 (Gründonnerstag)
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St. Severin Garching
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Prediger |
Pfarrer
Bodo Windolf
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Thema |
Gründonnerstag - Fußwaschung und Beichte
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Predigt-Text |
In der heutigen
Gründonnerstagsliturgie soll in Anlehnung an die Fußwaschung eine freiwillige,
symbolische Händewaschung für die ganze Gemeinde stattfinden. Diese ungewohnte
und ungewöhnliche Zeremonie möchte ich kurz erklären.
Als
ich im Pfarrgemeinderat vorbrachte, dass ich wegen der Eindrücklichkeit des
Zeichens gerne wieder eine Fußwaschung vornehmen möchte, kamen wir bald auf die
Frage: Sollen es 12 Männer sein oder eine gemischte Gruppe? Es war sehr bald zu
merken: Ganz gleich, was ich mache: ein Teil der Gemeinde wird an der einen,
ein anderer Teil an der anderen Lösung Anstoß nehmen. Zugleich war mir klar:
Ich darf in einer Feier, in der wir die Einsetzung des Sakramentes der Einheit
begehen, nicht ein Zeichen setzen, das zu einem Anlass für Uneinigkeit werden
kann. Und so habe ich gemeint: Vielleicht könnte ein Ausweg eine Händewaschung
für alle sein. Zum einen ist uns das Zeichen der Reinigung der Hände, bevor wir
essen oder einen kostbaren Gegenstand anfassen, um einiges näher als die
Fußwaschung, die zur Zeit Jesu als Dienst von Sklaven an den Gästen durchaus
geläufig war (ein als so niedrig empfundener Dienst übrigens, dass jüdische
Sklaven ihn verweigern durften). Dann wird durch die Händewaschung für alle der eine Aspekt des Zeichens –
dass nämlich ich als Pfarrer, bzw. wir, Frau Munk, Herr Fichtl und ich als
Seelsorger dieser Gemeinde nicht Herren, sondern Diener der Gläubigen sind,
Diener des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe für alle – sehr viel deutlicher, wenn es auch an allen Mitfeiernden vollzogen wird.
Schließlich hat die Händewaschung schon eine sehr lange Tradition und sogar
noch bis heute einen Ort in der Liturgie: nämlich bei der Händewaschung des
Priesters; und zwar unmittelbar bevor er mit der Gemeinde gewissermaßen ins
innerste Heiligtum der Feier eintritt, in den eucharistischen Teil mit dem
Hochgebet, also dem Lob- und Dankgebet über den Gaben von Brot und Wein, der
Wandlung der Gaben in Leib und Blut Christi und der Austeilung des
eucharistischen Herrn an die Gläubigen.
Ganz
kurz zur Geschichte: Auch das jüdische Pascha-Mahl kennt rituelle
Händewaschungen; es ist durchaus
möglich, dass Jesus im Abendmahlssaal, anstatt sich allein die Hände waschen zu
lassen, seinen Jüngern die Füße wusch. Die frühchristliche Liturgie kennt
ebenfalls Händewaschungen, nicht nur für den Priester, sondern für alle
Feiernden. So besaßen etwa die altchristlichen Basiliken ein Atrium mit einem
Brunnen oder Wasserbecken, in dem man die Hände wusch, bevor man die Kirche für
die gottesdienstliche Feier betrat. Wie man dieses Zeichen in seinem
eigentlichen Sinn verstehen sollte, drückt Tertullian um 200 n.Chr. sehr schön
aus: „Ist es schicklich, zwar mit gewaschenen Händen, aber mit verunreinigtem
Geist zu beten, während doch gerade auch für die Hände die geistige Reinheit
verlangt wird, damit sie erhoben werden können, rein von Falschheit, Mord,
Grausamkeit, Giftmischerei, Götzendienst und allen übrigen Befleckungen, die –
vom Geist geplant – durch die Hände zustande kommen?“ (zit. nach Jo Hermans,
Die Feier der Liturgie, 222)
Genau
das: dass nämlich die Händewaschung symbolischer Ausdruck der inneren Gesinnung
und der Bitte um Reinigung des Herzens sein soll, drücken auch die begleitenden
stillen Worte des Priesters aus, wenn er sich von den Ministranten die Hände
waschen lässt. In Anlehnung an Ps 25,6 betet er: „Herr, wasche ab meine Schuld,
von meinen Sünden mache mich rein!“
Und
damit sind wir genau bei der Bedeutung, die die Fußwaschung bei Johannes im
tiefsten Sinn hat. Hier geht es bei weitem nicht nur um eine moralische
Handlungsanweisung, also um ein nachzuahmendes Beispiel für gegenseitige
Dienstbereitschaft. Im tieferen Sinn des Geschehens nimmt Jesus hier symbolisch
vorweg, was Er am Kreuz erst wirklich vollziehen wird: nämlich die Reinigung
des Menschen nicht vom Schmutz des Straßenstaubes, sondern vom eigentlichen
Schmutz der Welt, vom Schmutz der Sünde. Genau darauf verweist der geradezu
harte Satz Jesu an Petrus: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an
mir. D.h.: Wenn du dir von mir nicht die Verzeihung und die Lossprechung deiner
Sünden schenken lässt, können wir keine Gemeinschaft haben. Hierbei geht es
nicht nur um Anteil an Jesus überhaupt, sondern auch und gerade um Anteil am
eucharistischen Herrn, d.h. am eucharistischen Mahl. Denn innerhalb dieses
Mahles - das Johannes nicht erwähnt, weil er schon im 6. Kapitel seines
Evangeliums, in der sog. „eucharistischen Rede“, davon gehandelt hat – findet
ja die Fußwaschung statt.
An
dieser Stelle berühre ich wohl einen wunden Punkt so mancher christlicher
Praxis heute. Den meisten von Ihnen ist sicher noch geläufig, dass man früher
gebeichtet haben musste, um zur Kommunion gehen zu dürfen. Inzwischen ist das
Pendel bei vielen ins gegenteilige Extrem umgeschlagen: man geht zwar zur
Kommunion, aber überhaupt nicht mehr zur Beichte.
Vor
einiger Zeit hatte ich ein Gespräch mit einem Religionslehrer über die Frage,
ob Kommunionkinder vor der hl. Erstkommunion beichten sollten. Er meinte: nein,
und zwar mit dem Argument, dass er den Kindern immer sage, sie könnten ganz so,
wie sie sind, zu Jesus kommen. So sehr dieser Satz grundsätzlich natürlich
stimmt, so falsch kann er aber nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes in bezug
auf das eucharistische Sakrament werden. Denn es sind eigentlich nur (oder
besser: immerhin) zwei Sakramente, durch die wir ganz so, wie wir sind, und
wäre es mit den schmutzigsten Füßen, d.h. mit den schwersten Sünden, zu Jesus
kommen dürfen: das ist das Sakrament der Taufe sowie das Sakrament der
„mühseligen Taufe“, wie der vorhin schon erwähnte Tertullian das Sakrament der
Versöhnung einmal genannt hat. Die Sündenvergebung, wie sie zwar auch
anderweitig, zuhöchst aber hier von Christus geschenkt wird, ist gleichsam das
Eintrittsbillet für das Hochzeitsmahl der Eucharistie. Dies macht nicht nur die
feinsinnige Symbolik der Fußwaschungsperikope deutlich, sondern auch Jesu
Gleichnis vom Hochzeitsmahl. Zu diesem sind zwar gerade die Sünder geladen, und
doch wird einer von ihnen hinausgewiesen, nämlich der, der sich nicht das
hochzeitliches Gewand (der Sündenvergebung) hatte schenken lassen. So
fragwürdig, bisweilen Skrupel und Angst erzeugend die frühere Praxis war, nur
unter der Bedingung einer Beichte zu kommunizieren, so fragwürdig erscheint es
mir, wenn heute nicht wenige, die z.B. höchst unregelmäßig bis selten den
Sonntagsgottesdienst besuchen, wenig religiöse Praxis haben, unversöhnt mit
Mitmenschen leben, oder mit anderer schwerwiegender Schuld beladen sind, allzu
selbstverständlich zur Kommunion gehen, weil man es heute halt so macht. Zu keiner Zeit wurde so viel
kommuniziert wie heute. Bleibt vielleicht manches christliche Leben auch
deswegen recht unfruchtbar, weil auseinandergerissen wird, was zusammengehört:
nämlich Beichte und Eucharistie?
Ich
weiß, dass das, was ich jetzt gesagt habe, wenig populär ist und ich mir damit
sicher keine Freunde mache. Aber ich habe es gewagt, dieses Thema anzusprechen,
weil es mich bisweilen sehr bedrückt.
Wenn
Sie nun alle zur Händewaschung eingeladen sind, dann soll dies einfach Ausdruck
der inneren Gesinnung sein: Ja Herr, ich will mich von Dir reinwaschen, mich
mit Dir versöhnen lassen, weil ich es
so wie Petrus nötig habe; ich will es auch einmal wieder im Sakrament der
Versöhnung tun, das Du selbst ja eingesetzt und dafür vorgesehen hast; und wenn
ich diesen Schritt jetzt noch nicht schaffe, dann will ich es in mir arbeiten
lassen, damit ich es zu gegebener Zeit vermag.
In
diesem Sinn möchte ich noch einmal zur Händewaschung, zu diesem Zeichen der
Dienstbereitschaft und der Reinigung von Schuld und Sünde, einladen.
Pfarrer
Bodo Windolf
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