Predigt vom 9.4.2000
|
St. Severin Garching |
Prediger |
Pfarrer
Bodo Windolf
[Seitenanfang]
Thema |
Predigt zum 5. Fastensonntag 2000 (9. April)
Gottesdienst mit Krankensalbung / Sakramente
[Seitenanfang]
Predigt-Text |
Wie angekündigt, wird
im heutigen Gottesdienst die Möglichkeit zum Empfang der Krankensalbung
bestehen. Daher möchte ich einige Worte zu diesem Sakrament sagen und dazu,
welchen Ort es im Kontext der übrigen Sakramente einnimmt.
Es
gehört zu den Bedauerlichkeiten der Reformation, dass M.Luther fünf von sieben
Sakramenten einfach beiseite geschoben hat. Auf diese Weise hat er vielen
Menschen einige der ganz zentralen und existentiell überaus wichtigen Zeichen
der Gottes- bzw. Christusbegegnung vorenthalten, ja ich möchte fast sagen, auch
wenn es hart klingen mag: er hat sie ihrer beraubt.
Zu
den Bedauerlichkeiten unserer Zeit gehört es, dass die Sakramente auch von
vielen Katholiken gar nicht mehr in ihrer Fülle wahrgenommen, angenommen und
geschätzt werden.
Warum
ist das so bedauerlich?
Sakramente
wollen ja im Kern nichts anderes sein als sinnenhaft erfahrbare
Einbruchsstellen Gottes mittenhinein in unser Leben. Gewissermaßen sichtbar und
hörbar wollen sie die heilende, die begleitende, die helfende Gegenwart Gottes
auf unserem Lebensweg anzeigen und vor allem bewirken. Und zwar nicht einfach
irgendwann und irgendwo, sondern – und darin besteht die Genialität dieser
Heilszeichen: gerade an den Wegmarken, an den Kreuzungspunkten, besonders aber
auch an den widersprüchlichen Knoten unseres menschlichen Daseins wollen sie
gleichsam die helfend ausgestreckte Hand Gottes für das Gelingen unseres Lebens
sein.
Es
beginnt mit der Taufe,
wenn sie das Kleinkind kurz nach der Geburt empfängt (was natürlich nur
sinnvoll ist, wenn die Eltern es auch ernsthaft christlich erziehen). Dem Kind
wird gesagt: Das Leben, das deine Eltern dir geschenkt haben, es soll nicht nur
ein Leben zum Tod sein, ein Leben,
das dem Nichts entgegengeht; sondern über dir sind die Wasser des Lebens
ausgegossen; du gehörst von nun an unwiderruflich zu Gott, der dir ewiges Leben
verheißt, und der es dir sicher schenken wird, wenn du dich nicht willentlich
und definitiv von Ihm lossagst.
Kaum
hat das Kind Vernunftgebrauch erlangt und ist zu einem kleinen Persönchen
herangewachsen, wird ihm das nächste Heilszeichen gewährt: die Eucharistie.
Ihm wird gesagt: Ich, Christus, will dein intimster Freund, dein innerster
Begleiter sein; deine Speise, deine Kraft, deine Stärke auf deinem ganzen
Lebensweg; und daher bist du immer wieder neu an den Tisch geladen, an dem ich
selber mich dir schenke. Zur Sinnfigur dieses Sakraments gehört es daher, nicht
nur einmal ein für alle Mal empfangen zu werden (wie z.B. Taufe und Firmung),
sondern Sonntag für Sonntag als Kraft für den Alltag.
Die
nächste Wegmarke ist das Firmsakrament, das in etwa an der Schwelle zum
Erwachsenwerden gespendet wird. Langsam werden die Weichen für das künftige
Leben gestellt, vor allem was Beruf und Partnerschaft betrifft. Der Geist des
Rates, der Weisheit, der Einsicht möchte uns so gern helfen, hier jeweils die
richtige Wahl zu treffen, wenn wir die Kraft des Firmsakramentes wirklich
beanspruchen.
Die
nächste entscheidende Wegkreuzung ist erreicht, wo sich zwei Menschen definitiv
entscheiden, von nun an ihre Lebenswege gemeinsam
zu gehen und das ganze Leben miteinander zu teilen. Ihnen wird gesagt: Eure
Liebe ist nicht nur „ein weltlich Ding“ (M.Luther); nein, sie hat die Würde
eines Sakramentes. D.h.: eure ganzmenschliche, körperlich-geistig-seelische
Liebe und Hingabe ist zeichenhafte Vergegenwärtigung einer noch viel größeren
Liebe, nämlich der Liebe Gottes selbst. Er will helfen, dass diese eure menschliche Liebe, die Liebe des Mannes
zu seiner Frau und der Frau zu ihrem Mann, als ein irdisches Abbild der göttlichen Liebe gelingt, und zwar trotz
aller menschlichen Schwäche.
Die
Priesterweihe,
die auf eine besondere Weise das Handeln und den Dienst Gottes an uns Menschen
zeichenhaft vergegenwärtigen und dazu ermächtigen soll, möchte ich nur kurz
erwähnen und gleich zu den beiden Sakramenten kommen, die mitten in den
widersprüchlichsten Knotenpunkten unseres Daseins angesiedelt sind, in dem
nämlich, was unser Leben beeinträchtigt und zu zerstören droht.
Zunächst ist da das Problem des Bösen und damit des
Schuldigwerdens. Niemand kann sich selbst seine Schuld vergeben. Im Beichtsakrament aber reicht uns Gott, reicht uns
Christus gleichsam seine Hand zur Versöhnung.
Wie klein oder wie groß die Sünde auch sein mag – nichts ist hier zu
geringfügig, nichts aber auch zu entsetzlich, als dass uns Gott nicht von
ganzem Herzen Vergebung gewähren würde, um zu heilen, was uns vor Gott am
meisten entstellt: und das ist nicht körperliche Krankheit, sondern das
Gottwidrige, das Böse; denn es entstellt das Abbild Gottes in uns, bisweilen
fast bis zur Unkenntlichkeit.
Neben
der Schuld sind nun noch Krankheit, Leid und Tod die Knoten-, ja
Kreuzigungspunkte unserer menschlichen Existenz. Und hier hat nun endlich die Krankensalbung ihren Ort.
Krankheit
und Tod sind ja miteinander verschwistert. In jeder ernsthaften Krankheit wirft
der Tod seine Schatten voraus. Krankheit, Altersschwäche, etc. zehren an
unseren Lebenskräften und zerstören sie schließlich. Gerade in diesen
Situationen möchte Gott uns nicht fern sein, sondern ebenfalls mit einem
Heilszeichen zur Seite stehen. Das Konzil von Florenz (15. Jahrhundert) hat
formuliert, dass es auch unseren Leib zu heilen vermag, wenn dies unserer Seele
nützt. Das II. Vaticanum aber betont einen noch anderen Aspekt: Hier steht uns
nicht nur Christus als Arzt und Heiland zur
Seite, als der also, der die Menschen damals wie heute heilt, sondern zugleich
Christus als mit uns Leidender und Sterbender.
Es schreibt, dass uns die Krankensalbung mahnt, uns „bewusst mit dem Leiden und
Tod Christi zu vereinigen“; mit dem Christus also, von dem es in der heutigen
Lesung so drastisch-realistisch hieß, dass Er „mit lautem Schreien und unter
Tränen Gebet und Bitten vor den gebracht hat, der ihn aus dem Tod retten
konnte“; und der im Evangelium von sich sagte: das Weizenkorn muss in die Erde
fallen. D.h.: die Dunkelheiten, die Schmerzen dieser Welt müssen über ihm
zusammenschlagen; erst so kann es innerlich ganz aufbrechen, sich preisgeben,
sich hingeben an Gott, in Ihn hineinsterben und so Frucht bringen und zu neuem
Leben erwachen.
Die
Krankensalbung gesellt uns daher Jesus zu, der unseren Weg der Krankheit, des Leidens und des Sterbens schon für uns gegangen ist und der uns Kraft
gibt, dass auch wir ihn zu bestehen vermögen. Sich in der Krankheit und im
Sterben nicht allein gelassen fühlen, sondern neben sorgenden Menschen auch
Gott, auch den mit mir leidenden
Christus stärkend, tröstend und mittragend an der Seite zu wissen, das ist der
Sinn dieses letzten Heilszeichens unter den Sakramenten. Durch dieses Sakrament
will uns Gott gerade an den dunklen Wegmarken unseres Lebens in Krankheit und
Tod spürbar nahe sein.
An
uns liegt es, ob wir all diese Heilsangebote Gottes für das Gelingen unseres Lebens und Sterbens annehmen wollen und vor allem auch die Scheu vor der
Krankensalbung ablegen. Er kann sie uns nur anbieten. Hoffentlich schlagen wir
sie nicht aus.
Pfarrer Windolf, Garching St. Severin
|
|